Franchise – was geht?: Eine Handvoll Thesen zu Marke und Markenführung

igenda FACHMAGAZIN
[PDF Download, 1.5 MB]
12.12.2014

forSYSTEMS hat die Expertin Sylvia Hurlebaus zum Thema Markenstrategie und Franchising befragt. Aktuell wird immer wieder diskutiert, wie groß ist der Schaden der Marke Burger King durch einen Franchise­nehmer für die Marke und damit für die anderen Franchisenehmer.

1. Franchising ist sympathisch.

In nahezu allen Publikationen über Franchising tauchen sie an zentraler Stelle auf – die Werte „Vertrauen“ und „Transparenz“. Sie machen den kleinen Unterschied zu konventionellen Formen der Unternehmens-„führung“ aus, wie die Hierarchisierung von Verantwortung und Monopolisierung von Wissen und Kapital. Franchising ist idealerweise ein offenes, ein partizipatives System. Es demokratisiert Unternehmertum: Potenziell kann jeder Unternehmer werden. Das macht Franchise sympathisch und zum Attraktor.

2. Die größte Stärke des Systems ist seine größte Schwäche.

Transparenz lässt sich manipulieren, Vertrauen missbrauchen. Das gilt für beide Seiten, für  Franchisegeber und -nehmer. Franchisegeber, die manipulativ agieren und einseitig auf ihren Profit orientieren, höhlen das System aus. Sie bringen sich um die Chance, wertvolle innovative Impulse ihrer Franchisenehmer für eine nachhaltige Entwicklung der Marke fruchtbar zu machen. Umgekehrt schaden Franchisenehmer, die nicht im Sinne einer verbindlichen und verbindenden Unternehmenspolitik und Markenstrategie handeln, der Reputation der Marke und verspielen ihr wertvollstes Kapital: das Vertrauen ihrer Mitarbeiter und Kunden.

Die Marke ist auf jeden Fall ein mächtiges Instrument – in erster Linie in der Hand des Franchisegebers. Dies verdeutlicht ein derzeit virulenter Fall in der Fast-Food-Branche. Die Schließung von 89 Burger-King-Filialen wurde durch ein Markenführungsverbot aus der europäischen Zentrale erwirkt. Der Fall zeigt, wie prekär der Umgang mit der Marke auf beiden Seiten werden kann. Eine unseriös geführte Regionalmarke, ein Franchisegeber, der dies nicht realisiert, und schon droht der Dachmarke, zumindest auf nationalem Feld, Imageverlust. Das Vertrauen der Kundschaft kühlt ab wie Frittenfett in einer ausgeschalteten Fritteuse.
Mit der Kündigung der Verträge wollte die Zentrale Schaden von der Marke abwenden.

3. Franchise selbst hat die Anziehungskraft einer starken Marke.

»Wir machen uns keine Sorgen, dass der Ruf der Branche leidet«, so die überzeugte Stellungnahme des DFV-Geschäftsführers Torben Brodersen zum Burger-Fall gegenüber dem stern. Eine interessante Äußerung, die sicher auch mit Wunsch und Hoffnung verbunden ist, aber auch ein interessanter, kommunikativer Vorgang: Brodersen ist zur Stellungnahme aufgefordert, wenngleich es sich nicht um den Fall eines Verbandsmitgliedes handelt. Das publizierende Medium differenziert hier nicht, vielmehr bestätigt es eine typische Art und Weise, wie Marken wahrgenommen werden: Das Publikum goutiert sie oder eben nicht. Gerät eine Submarke in Verruf, geht ein Ruck durch die gesamte Branche. Torben Brodersen selbst tritt, für den Leser, der sich in den Strukturen meist nicht so auskennt, wie ein Markenbotschafter für das System auf, wenn er betont, Franchise stünde nicht für billige
Arbeitskräfte, miese Beschäftigungsverhältnisse oder schlampige Geschäftsführung.

4. „Marke ist“, reicht nicht.

Markenwert macht nach Schätzungen von Wirtschaftsexperten ca. 50 Prozent des Unternehmenswertes, bzw. der Marktkapitalisierung eines Unternehmens aus. In einem Franchisesystem hat die Marke nicht nur Strahlkraft auf Kunden, sondern auch auf Franchisenehmer-Interessenten. Vermutlich unterliegen diese, genau wie ihre späteren Kunden, zunächst dem Charme einer Marke. Identifikation mit einer Marke entscheidet über den Schritt in die Selbständigkeit – frei nach dem Motto „nur mit Dir“.

Aber: Zum Herzen gehört auch Verstand, Vertrauen benötigt Transparenz. Wie lässt sich der Wert einer Marke bewerten? Kann es nur um monetäre und vertragliche Transparenz gehen, um Einsicht in Umsatzzahlen und Profitabilität, um Inanspruchnahme von Markenrecht? Und das war’s dann mit der Markenführungskompentenz?

Notorisch unterschätzt und wenig beachtet werden weiche, den Markenwert bestimmende Faktoren. Dazu gehören etwa Analysen zu Image und Bekanntheitsgrad einer Marke, zur Kundenzufriedenheit und Kundenbindung inklusive vergleichbarer Kennzahlen des Wettbewerbs. Ein Franchisenehmer-Interessent sollte sich fragen: Sind entsprechende Messverfahren beim Franchisegeber eingeführt und etabliert? Lassen sich damit zusätzliche Werttreiber identifizieren? Werden daraus Marketingstrategien abgeleitet? Und wenn ja, werden sie vermittelt?
Tatsächlich wäre eine größere Informationstiefe und Transparenz hinsichtlich des Marken­entwicklungswillens in Franchiseunternehmen wünschenswert.

5. Marke braucht Feuer, nachgelegt wird von unten.

Kreative Antworten auf die Frage, wodurch eine Marke lebt und wie sie immer wieder befeuert werden kann, sind für nahezu jedes Unternehmen von größter Relevanz. Antworten darauf werden in Franchise­systemen meist zentral gegeben; dies legt das Lizenzsystem nahe. In erstaunlich vielen Veröffentlichungen wird das Thema Marke fast ausschließlich beim Franchisegeber angesiedelt.

„Was häufig übersehen wird, ist der Umstand, dass der einzelne Franchisenehmer an der Markenbildung nicht unbeteiligt ist. In vielen Fällen leistet er einen wichtigen Beitrag zu den zentralen Erfolgsdeterminanten der Markenbildung, als da sind: Die Bereitstellung einer des „Merkens würdigen Problemlösung“ für den Verbraucher, die Schaffung von „Personen-Vertrauen“, die Etablierung eines der Marke zugrunde liegenden „Mythos“ und schließlich die Bildung und Bewahrung einer „Markengemeinde“. Die F&C-Studie von Prof. Dieter Ahlert „Franchising – ein Erfolgsgarant für Existenzgründungen?“ zeigt mit einem beachtenswerten Vokabular auf, welche Faktoren zur Herausbildung von Markensubstanz beitragen. Vor allem ist es der menschliche.

2015 wird die F&C-Studie bereits zehn Jahre alt. Berücksichtigt man dies, liest sich das Zitat wie eine Vorhersage der Entwicklung im Social Web. Mancher Franchisemarke folgt inzwischen tatsächlich eine riesige Markengemeinde. Dennoch hat der Mythos „Social Media“ an Sprengkraft verloren. Angesichts des Wildwuchses von Fanpages regionaler Franchisenehmer herrscht eher wertkonservative Zurückhaltung vor:
Mehrheitlich wird gerade für Franchiseunternehmen eine kontrollierte Markenkommunikation befürwortet, z. B. in Form fester Regeln und zielführender Strategien für die Nutzung sozialer Plattformen mit einer von der Zentrale verwalteten Fanpage. Kontrollierte Partizipation – macht nicht wirklich Spaß ... Deshalb sei mit den Worten von Steve Olenski, Forbes, an Franchisenehmer appelliert: „Are there restrictions and guidelines already in place regarding social media posting? Explore the options, and don’t be afraid to call your corporate contacts with questions about what is allowed and what isn’t.“

6. Von denen, die wissen, wie‘s zu nehmen ist.

Die Bereitstellung einer des „Merkens würdigen Problemlösung“, die Schaffung von „Personen-Vertrauen“, die Etablierung eines der Marke zugrunde liegenden „Mythos“ und schließlich die Bildung und Bewahrung einer „Markengemeinde“: In Anbetracht des gerade zurückliegenden Weihnachtsfestes bringt einem das Ahlertsche Vokabular auf eine nachdenkenswerte Analogie: Die ersten Christen – wie haben sie es geschafft, ihre Marke so nachhaltig zu etablieren?

igenda Fachmagazin

11 + 4 =
Bitte tragen Sie das Ergebnis ein, es verhindert das automatisierte Absenden durch robots.