Franchise | Studienkreis-Umfrage: Mehrheit findet Abitur auch ohne nachfolgendes Studium sinnvoll
Gymnasium oder nicht? Diese Frage treibt Familien in ganz Deutschland um, die derzeit nach einer weiterführenden Schule für ihr Kind suchen. Die Hoffnung auf ein späteres Abitur ist hoch – viele versprechen sich davon bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Das zeigt eine repräsentative forsa-Umfrage im Auftrag des Studienkreises.
In den letzten Wochen des Jahres laden weiterführende Schulen in ganz Deutschland zu Tagen der offenen Tür und Informationsabenden ein – sie werben um fast 750.000 Schülerinnen und Schüler, die im folgenden Sommer die Grundschule verlassen. In den meisten Bundesländern ist im Februar Anmeldeschluss an den weiterführenden Schulen. In die Entscheidung fließen zahlreiche Überlegungen ein, darunter auch die Frage, ob die meist Neun- oder Zehnjährigen später das Abitur schaffen können und wie sinnvoll das ist.
„Bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt“
Dass die Hochschulreife als Schulabschluss besonders begehrt ist, zeigt eine aktuelle forsa-Umfrage im Auftrag des Nachhilfeinstituts Studienkreis unter 2.011 Erwachsenen in Deutschland. 84 Prozent der Befragten stimmten der Aussage zu: „Mit Abitur hat man auf dem Arbeitsmarkt bessere Chancen“. 68 Prozent waren zudem überzeugt, dass ein Abitur auch dann sinnvoll ist, wenn man danach nicht studiert.
Eine interne Umfrage des Studienkreises unter 215 Nachhilfe-Interessierten, deren Kind eine Schule besucht, die bis zum Abitur führt, belegt das hohe Ansehen des Abschlusses: Für 70 Prozent der befragten Mütter und Väter spielte das Abitur eine zentrale Rolle bei dem Interesse an Nachhilfe: 41 Prozent wollten erreichen, dass ihr Kind eine gute Abiturnote erhält, 29 Prozent machten sich Sorgen, dass ihr Kind das Abitur nicht bestehen könnte.
„Politisch wird häufig diskutiert, wie viele Abiturienten eine Gesellschaft braucht. Für die einzelnen Familien ist das meist weniger relevant. Sie möchten, dass ihr Kind Abitur macht, um über die besten Startchancen zu verfügen“, sagt Max Kade, Pädagogischer Leiter des Studienkreises.
40 Prozent eines Jahrgangs erwirbt Hochschulreife
Beinahe jeder sechste von forsa Befragte war der Ansicht, dass das Niveau des Abiturs in den letzten 20 Jahren abgenommen hat. Objektiv lässt sich diese Aussage nur schwer beurteilen.Tatsache ist, dass heute etwa 40 Prozent eines Jahrgangs die Allgemeine Hochschulreife erwerben, während vor zwanzig Jahren nur jeder Vierte die Schule mit dem Abitur verließ (diese und andere Statistiken zum Abitur gibt es im Factsheet „Schulwahl und Abitur“). Unter anderem könnte die Aussicht auf bessere Berufschancen mehr junge Menschen zum Abitur motivieren.
„Wenn ich Schülerinnen und Schüler frage, warum sie Abitur machen wollen, sagen sie ganz klar: ‚Um mehr Geld zu verdienen.‘ Aber sie haben oft noch keine Ahnung, ob sie studieren wollen“, erzählt Gerhard Leibl, Leiter des Studienkreises Neuss.
Dass viele das Abitur auch ohne anschließendes Studium für sinnvoll halten, überrascht Leibl nicht. „Für viele Ausbildungsplätze wird heute ein Abitur gefordert, am besten mit Einserschnitt“, sagt Leibl. „Für Schülerinnen und Schüler mit einem Mittleren Abschluss ist das eine tragische Entwicklung, weil sie in Konkurrenz zu Abiturienten stehen und viele Betriebe dann tatsächlich lieber Abiturienten einstellen.“
Schulform weniger entscheidend
Ob das Abitur am Gymnasium erworben wurde oder an einer Form von Gesamtschule, ist dabei weniger entscheidend – nur knapp jede vierte von forsa befragte Person vertrat die Ansicht, dass dies für die berufliche Zukunft eine Rolle spielt.
Unter Älteren ist diese Auffassung stärker verbreitet als unter Jüngeren: 48 Prozent der über 60-Jährigen glaubten, dass es einen Unterschied macht, von welcher Schulform das Abitur stammt, aber nur 26 Prozent der 18- bis 29-Jährigen. Ein möglicher Grund für diesen Generationenunterschied ist der Ausbau der Gesamtschulen in den letzten Jahrzehnten. In vielen Bundesländern führt heute neben dem Gymnasium eine weitere Schulform bis zum Abitur.
Nur 16 Prozent für Entscheidung durch Eltern
In 13 Bundesländern liegt die Entscheidung über die weiterführende Schulform bei den Eltern, die Grundschullehrkräfte sprechen lediglich eine unverbindliche Empfehlung aus. Die Frage „Elternwille oder verbindliche Empfehlung?“ ist allerdings immer wieder Inhalt politischer Debatten. Von den rund 2.000 von forsa befragten Erwachsenen fand nur eine Minderheit von 16 Prozent, dass die Eltern über die weiterführende Schulform entscheiden sollten.
39 Prozent bevorzugten, dass die Grundschullehrkräfte diese Entscheidung treffen. Fast ebenso viele (36 Prozent) sprachen sich für Aufnahmeprüfungen der weiterführenden Schulen aus – ein Auswahlverfahren, das in Deutschland kaum zum Einsatz kommt.
Empfehlung der Lehrkräfte zählt
In der Realität weichen die Eltern eher selten von der Empfehlung der Grundschullehrkräfte ab, das zeigen Statistiken verschiedener Bundesländer. In Hamburg etwa hatten im aktuellen Schuljahr 21 Prozent der Fünftklässler am Gymnasium keine entsprechende Empfehlung, in Baden-Württemberg waren es elf Prozent. Dass die Grundschullehrkräfte in einigen dieser Fälle mit ihrer Empfehlung daneben lagen, ist nicht auszuschließen.
Verschiedene Studien (vgl. Factsheet „Schulwahl und Abitur“) kommen zu dem Ergebnis, dass Grundschullehrkräfte den Schülerinnen und Schülern oft zu viel oder zu wenig zutrauen und dass zum Beispiel der Bildungsgrad der Eltern die Empfehlung beeinflusst und nicht nur die tatsächlichen Leistungen.