Franchise | Studienkreis-Umfrage: Lehrkräftemangel versetzt Mehrheit der Eltern in Sorge

62 Prozent der Eltern schulpflichtiger Jungen und Mädchen in Deutschland geben an, dass ihr Kind an seiner Schule vom Lehrkräftemangel betroffen ist. Mehr als die Hälfte von ihnen rechnet deshalb mit schlechteren Noten – auch auf den diesjährigen Halbjahreszeugnissen. Zu diesem Ergebnis kommt eine repräsentative Eltern-Umfrage von forsa im Auftrag des Nachhilfeinstituts Studienkreis. Einige aktuell diskutierte Gegenmaßnahmen kommen dennoch bei den meisten Eltern nicht gut an.

62 Prozent der Mütter und Väter beobachten einen Lehrkräftemangel an der Schule ihres Kindes – unter Eltern von Kindern ab Klasse 5 sind es sogar beinahe drei Viertel. Noch mehr geben an, dass sie breitere Auswirkungen des Lehrermangels wahrnehmen: 86 Prozent der 1.018 im Januar 2023 von forsa befragten Eltern stimmten der Aussage zu, dass unter dem Lehrkräftemangel die Unterrichtsqualität erheblich leidet und deshalb Lernziele nicht erreicht werden.

Nachhilfe kann Unterrichtsausfälle nicht auffangen

Ebenso viele sind der Ansicht, dass sich die soziale Schere infolge der Personalengpässe an Schulen weiter öffnet, weil die Familien Lernlücken unterschiedlich gut durch Unterstützung auffangen können. 73 Prozent beobachten außerdem, dass Ganztagesbetreuung und Förderangebote aufgrund des Lehrermangels häufig ausfallen oder komplett gestrichen werden.

Studienkreis_Schulklasse_2023

Große Lücken bei bestimmten Fächern

Auch im Studienkreis sind die Auswirkungen des Lehrkräftemangels deutlich spürbar. „Wir haben hier Zehntklässler, die ein Jahr lang keinen Unterricht in Chemie, Geografie oder Geschichte hatten. Andere haben wochenlang keinen Mathematikunterricht und sollen trotzdem am Ende des Schuljahres an Abschlussprüfungen teilnehmen“, berichtet Angelika Patzwald-Könnig, Leiterin des Studienkreises Magdeburg-Nord.

Solche Fälle, in denen Lerninhalte in der Schule nie vermittelt wurden, ließen sich auch mit Nachhilfe nicht komplett auffangen. „Wir konzentrieren uns dann auf Fächer, die für Prüfungen oder den Berufswunsch der Jugendlichen relevant sind.“ Innerhalb weniger Jahre habe sich der Lehrkräftemangel an Schulen erheblich zugespitzt, erklärt Patzwald-Könnig: „Vor drei Jahren gab es auch schon Engpässe, aber die Schulen konnten immerhin in den Prüfungsjahrgängen noch durchgehend den Unterricht sicherstellen.“

Quereinstieg als Maßnahme

Die meisten Bundesländer versuchen der Personalknappheit mit einem Mix aus verschiedenen Maßnahmen entgegenzuwirken. Dazu gehört unter anderem der so genannte Quereinstieg, bei dem fachlich qualifizierte Personen ohne vollständige Lehramtsausbildung in den Schuldienst eintreten. Daneben setzen einige Bundesländer auf digitale Lernangebote, mit denen sich die Schülerinnen und Schüler mehr Inhalte selbst erarbeiten können.

Wieder andere streichen Förderangebote, um wenigstens den Kernunterricht zu gewährleisten. Auch die Bildung größerer Klassen ist in der Diskussion, ebenso wie die Streichung von Lerninhalten. Nicht alle dieser kurzfristigen Maßnahmen sind aber aus Sicht der Eltern sinnvoll. Die deutlichste Zustimmung der Eltern erhält der Quereinstieg: Drei Viertel der befragten Mütter und Väter halten die Einbindung von Quereinsteigern und Lehramtsstudierenden für eine gute Maßnahme, um zeitnah gegen den Lehrkräftemangel vorzugehen.

Gut vier von zehn Befragten fanden eine stärkere Nutzung digitaler Selbstlernangebote sinnvoll. Nur jeder Fünfte hingegen hält es für eine gute Idee, Lern- und Prüfungsinhalte zu reduzieren. Größere Klassen kommen für die meisten Eltern nicht infrage: Nur drei Prozent der Befragten glauben, dass sich die Auswirkungen des Lehrkräftemangels bekämpfen lassen, indem Klassen mit beispielsweise 40 Kindern eingerichtet werden.

Schlechte Noten, sinkende Motivation

Auch Wenke Steffen hält nicht viel davon, Klassen zu vergrößern. Steffen ist Nachhilfelehrerin beim Studienkreis Magdeburg-Nord und hat drei eigene Kinder an einem Gymnasium der Stadt. „Wenn so viele Kinder in einer Klasse sind, behalten die Lehrkräfte schwerer den Überblick und können weniger auf die einzelnen Lernenden eingehen“, erzählt sie. „Gerade die schwächeren Schüler kommen dann nicht mehr gut mit.“

Erschwerend kommt hinzu, dass den Kindern und Jugendlichen nicht nur Unterrichtszeit entgeht – auch die Motivation leidet. „Schule ist viel mehr als ein Ort für Wissensvermittlung“, erklärt Max Kade, Pädagogischer Leiter des Studienkreises. „Ein strukturierter Schulalltag, gute Beziehungen zu den Lehrkräften, Kontinuität und Verlässlichkeit – all diese Dinge tragen zu einem Klima bei, in dem Kinder und Jugendliche motiviert lernen können. Häufige Ausfälle, wechselnde Lehrkräfte sowie die Angst vor schlechten Noten und unaufholbaren Lernrückständen bewirken das Gegenteil“, erklärt Kade.

Studienkreis in Begleiter-Rolle

Nachhilfe könne zwar dabei helfen, solche Ängste zu lindern und Lücken aufzuarbeiten, aber nicht wochenlange Unterrichtsausfälle ausgleichen. Dennoch scheint genau dies die Hoffnung vieler Eltern zu sein. Im November 2022 ergab eine interne Umfrage des Studienkreises unter Nachhilfe-Interessenten, dass bei 18 Prozent der Befragten der Lehrkräftemangel ein Grund für ihren Wunsch nach Nachhilfe war.

„Wir verstehen uns nicht als Ersatz, sondern als Partner und Begleiter der Schulen“, betont Kade. „Wenn ein Kind in der Schule etwas nicht verstanden hat oder mehr Übung benötigt, dann bieten wir eine individuelle Förderung an. Gleichzeitig hoffe ich im Interesse der Schülerinnen und Schüler sehr, dass Bund und Länder schnell wirksame Maßnahmen ergreifen, um dem Lehrkräftemangel entgegenzuwirken.“