Franchise | Studienkreis-Umfrage: Drei Viertel der Eltern unzufrieden mit Corona-Aufholprogrammen
74 Prozent der Eltern schulpflichtiger Kinder glauben nicht, dass die derzeitigen politischen Maßnahmen ausreichen, um coronabedingte Lernlücken bei ihren Kindern zu schließen. Zu diesem Ergebnis kommt eine repräsentative forsa-Umfrage im Auftrag des Studienkreises unter 1.026 Müttern und Vätern im Januar 2022.
Rund die Hälfte der Befragten geht davon aus, dass ihre Kinder Lernrückstände haben.
Maßnahmen kaum bekannt
Mit dem milliardenschweren Aktionsprogramm „Aufholen nach Corona“ wollen Bund und Länder Schülerinnen und Schülern dabei unterstützen, Lernrückstände aus den monatelangen Corona-Schulschließungen aufzuarbeiten. Obwohl das Programm bereits im Frühsommer 2021 angelaufen ist, ist bei den Eltern bislang wenig davon angekommen.
73 Prozent der von forsa Befragten gaben an, dass ihnen keine Corona-Aufholmaßnahmen in ihrer Region bekannt seien. Nur 26 Prozent der Befragten wussten von einem regionalen Corona-Aufholprogramm in ihrer Region, darunter lediglich fünf Prozent, deren Kinder die Angebote selbst
nutzen.
Große Lernrückstände
Wie groß der Bedarf an zusätzlicher Förderung ist, tritt erst mit Verzögerung zutage. Viele Familien erfahren in diesen Wochen mit den Halbjahreszeugnissen schwarz auf weiß, ob der monatelange Distanzunterricht die schulischen Leistungen ihrer Kinder beeinträchtigt hat. Kurz vor Ende des ersten Halbjahres mit flächendeckendem Präsenzunterricht geht gut die Hälfte der befragten Eltern davon aus, dass ihre Kinder coronabedingte Lernrückstände haben. Je nach Schulfach vermuten zwischen 20 und 29 Prozent, dass die Rückstände groß oder sogar sehr groß sind.
Die Zahl deckt sich mit ersten Ergebnissen schulischer Vergleichsarbeiten (detaillierte Informationen dazu haben wir Ihnen in einem Factsheet zusammengestellt). Schon im Frühjahr 2021 erklärte auch die damalige Bildungsministerin Anja Karliczek, 20 bis 25 Prozent der Schüler hätten „vermutlich große Lernrückstände – vielleicht sogar dramatische“. Dennoch gaben in der forsa-Umfrage nur fünf Prozent der Eltern an, dass ihre Kinder an Corona-Aufholmaßnahmen teilnähmen.
Einstieg in die Fremdsprache verpasst
„Die Programme sind kaum bekannt, aber mehr als die Hälfte der Eltern vermutet bei ihren Kindern Lernrückstände. Da ist es kein Wunder, dass nur 17 Prozent der Eltern die politischen Maßnahmen für ausreichend halten“, sagt Max Kade, Pädagogischer Leiter des Studienkreises. „Hinzu kommt, dass die Aufholprogramme in einigen Bundesländern nur sehr langsam anlaufen oder nur ausgewählte Schülerinnen und Schüler mit deutlichen Lernlücken Förderung erhalten.“
Den meisten Stoff haben die Schülerinnen und Schüler nach Einschätzung der Eltern in den Fremdsprachen verpasst: 29 Prozent glauben, dass die Lernrückstände ihrer Kinder groß oder sogar sehr groß sind. Noch ausgeprägter ist dieser Eindruck bei Eltern von 10- bis 14-Jährigen: 39 Prozent von ihnen vermuten große oder sehr große Lernlücken.
„Es gibt zwar in der Grundschule erste Begegnungen mit einer Fremdsprache, aber erst an der weiterführenden Schule steigen die Kinder richtig in die Fremdsprache ein. Für viele Kinder in dieser Altersgruppe hat das während der Schulschließungen stattgefunden. Die hohen Zahlen bei den 10- bis 14-Jährigen zeigen, dass der Start in die Fremdsprache nicht gut geklappt hat“, erklärt Kade.
Schneller Start, breite Förderung
Inhaltlich unterscheiden sich die Aufholprogramme der Bundesländer zum Teil erheblich (einen Überblick über die Aufholprogramme aller Bundesländer gibt der Studienkreis über seine Homepage in den „Factsheet“). Zum Beispiel wollen einige Länder wie etwa Bayern die Aufholmaßnahmen ausschließlich innerhalb der Schulen stemmen, während andere stärker auf Kooperationen mit außerschulischen Bildungsanbietern setzen.
So etwa Mecklenburg-Vorpommern oder Schleswig-Holstein: Hier können Schülerinnen und Schüler für eine begrenzte Zeit Nachhilfeunterricht in Instituten wie dem Studienkreis besuchen. Die Kooperationen entlasten die Schulen, in der ohnehin noch immer angespannte Pandemie-Lage zusätzliches Personal zu suchen oder umfangreiche Förderkurse in den Stundenplan einzubauen.
Ausführliche Diagnostik notwendig
Den meisten Aufholprogrammen gemeinsam ist, dass zu Beginn des Schuljahres zunächst eine ausführliche Diagnostik die Lernrückstände besser eingrenzen sollte. „Das war ein wichtiger Schritt, um zielgerichtete Förderung anzubieten“, urteilt Kade. „Aber ebenso wichtig ist, dass man danach schnell mit dem Aufholen beginnt und gleichzeitig den Regelunterricht daran anpasst.“
Außerdem müsse man auch die vielen Schülerinnen und Schüler mit eher geringeren Lernrückständen in den Blick nehmen, anstatt nur diejenigen mit großen Lücken zu fördern, betont Kade: „Der Stoff baut aufeinander auf, deshalb können auch kleine Versäumnisse mit der Zeit zu größeren Rückständen führen.“