Vorvertragliche Aufklärung beim Abschluss von Franchise-Verträgen

igenda FACHMAGAZIN
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Vertrag Aufklärung

Gutachten des Bundesamtes für Justiz

Die vorvertragliche Aufklärung beim Abschluss von Franchise-Verträgen ist nach wie vor in der Diskussion; Anlass genug, sich erneut mit dem Problemkreis der vorvertraglichen Aufklärung im Anschluss an den Beitrag in Heft 4 (Frühjahr 2014) von forSYSTEMS unter der Überschrift „Schadensersatzpflicht bei nicht richtiger und unvollständiger Aufklärung über die Rentabilität“ zu befassen.

Geboten ist dieser Beitrag aber auch deswegen, weil mittlerweile im Auftrage des Bundesamtes der Justiz ein Gutachten zu vorvertraglichen Aufklärungspichten des Franchisegebers erstellt wird, um ggf. aus dem Gutachten abzuleiten, ob die Notwendigkeit zur Ausarbeitung gesetzlicher Regelungen in Deutschland.

URTEILE SETZEN RECHTSPRECHUNG FORT, HOHER SCHUTZ DER FRANCHISENEHMER

Mit seiner Entscheidung vom 28. Juli 2014 bestätigte das Hanseatische Oberlandesgericht die erstinstanzliche Entscheidung des LG Hamburg vom 17. Januar 2014. Gleichzeitig setzt das Hanseatische OLG mit der Entscheidung die wieder verstärkt den Franchisenehmer-Schutz betonende Rechtsprechung fort, die bereits die Entscheidung vom OLG Hamm vom 22. Dezember 2011 sowie die des OLG Düsseldorf vom 25. Oktober 2013 prägen.

Die Entscheidung des OLG Hamburg ist aber auch deswegen von grundsätzlicher Bedeutung für die vorvertragliche Aufklärung beim Abschluss von Franchise-Verträgen, weil es nach wie vor Franchisegeber zu geben scheint, die potenzielle Franchisenehmer zum Abschluss eines Franchise-Vertrages veranlassen, ohne jedoch „richtig und vollständig“ die Informationen zu vermitteln, die für deren Entscheidung, den angebotenen Franchise-Vertrag abzuschließen, von grundsätzlicher Bedeutung sind – quasi „Angaben ins Blaue hinein machen“, um so einen Franchisenehmer zum Abschluss es Franchise-Vertrages zu veranlassen.

NICHT BELEGTE UMSATZPROGNOSEN SOLLTE DER FRANCHISEGEBER NICHT IN „SEINER WERBUNG“ RISKIEREN!

Bis heute wird die vorvertragliche Aufklärung beim Abschluss eines Franchise-Vertrages von der Entscheidung des OLG München vom 16. September 1993 (NJW 1994, 667) bestimmt. Danach ist der Franchisegeber verpichtet, Franchisenehmer-Interessenten richtig und vollständig über die Rentabilität des Franchise-Systems zu unterrichten. Die Gültigkeit dieses Grundsatzes ist zuletzt noch vom OLG Hamm, OLG Düsseldorf und dem OLG Hamburg in den vorgenannten Entscheidungen bestätigt worden.

Vor dem Hintergrund dieser ständigen Rechtsprechung, die auch in der DFV-Richtlinie „Vorvertragliche Aufklärungspichten“ (abgedruckt im Jahrbuch Franchising 2016/2017, S. 320 .) ihren Niederschlag gefunden hat, ist es um so erstaunlicher, dass nach Feststellungen des OLG Hamburg der Franchisenehmer eben nicht richtig und vollständig über die Rentabilität des vom Franchisenehmer-Interessenten zu betreibenden Franchise-Outlets unterrichtet wurde, sondern – wie vor dem LG Hamburg durchgeführte Beweisaufnahme ergeben hat – versucht wurde, dem Franchisenehmer „mit den Zahlen … die Sache schmackhaft zu machen…“, man es also versucht habe, mit nicht näher belegten Umsatzzahlen den Franchisenehmer-Interessenten zum Vertragsabschluss zu bewegen.

Dabei wurden dem Franchisenehmer-Interessenten Umsatzprognosen vermittelt, die nach der durchgeführten Beweisaufnahme auf „Annahmen, Hoffnungen so wie insgesamt dem Gefühl“ beruhten „wie sich der Umsatz insgesamt weiter entwickeln“ könnte. Letztlich kam hinzu, dass dem Franchisenehmer-Interessenten dargestellt wurde, dass die mitgeteilten Umsätze auf vergleichbare Stores in den zurückliegenden fünf Jahren zurückgehen, obwohl kein vergleichbarer Store im genannten Zeitraum betrieben wurde. Die im Rahmen der vorvertraglichen Aufklärung prognostizierte Umsatzsteigerung war demgemäß nur auf die „Hoffnung einer positiven Geschäftsentwicklung“ gestützt.

Eine so gehandhabte vorvertragliche Aufklärung beim Abschluss eines Franchise-Vertrages entspricht aber nicht dem Grundsatz der richtigen und vollständigen Belehrung über die Rentabilität des Franchise-Systems.

DETAILFEHLER KÖNNEN SCHON ZUM SCHADENSERSATZ FÜHREN

Der Sachverhalt, der vom OLG Hamburg zu beurteilen war, reiht sich damit in die Reihe der Entscheidungen ein, in denen Franchisenehmer- Interessenten mit nicht zutreenden Zahlen und Umsatzvorgaben und unwahren Angaben zum Abschluss eines Franchise-Vertrages veranlasst wurden, wie etwa die Entscheidung des OLG München vom 24. April 2001 oder die des OLG München vom 01. August 2002. In beiden Entscheidungen ist der jeweilige Franchisegeber zur Leistung von Schadensersatz verurteilt worden; einmal deswegen, weil die sog. „Floprate“, d.h. die Scheiterungsquote von Franchisenehmern, unzutreend angegeben wurde und zum anderen deswegen, weil die Angaben zu den Umsatzmöglichkeiten nicht nur unzutreffend waren, sondern festgestellt wurde, dass die vom Franchisegeber prognostizierten Werte bislang in keinem einzelnen Franchise-Outlet erzielt worden waren.

GROBE FEHLER KÖNNEN ALS BETRUG ANGESEHEN WERDEN

Beide Fälle liegen damit schon hart an der Grenze, in denen man von einer vorsätzlichen unzutre enden vorvertraglichen Aufklärung ausgehen könnte, um so den Franchisenehmer zum Abschluss eines Franchise-Vertrages zu bewegen. Derartige Fälle berühren dann aber den strafrechtlichen Bereich und können ggf. als sog. Eingehungsbetrug i.S.v. § 263 StGB angesehen werden.

Wird also durch einen Franchisegeber vorsätzlich eine unzutreende (unwahre) vorvertragliche Aufklärung vernommen, so muss ein solcher Franchisegeber nicht nur fürchten, dass Schadensersatzansprüche wegen Verletzung vorvertraglicher Aufklärungspichten nach den Grundsätzen der culpa in contrahendo gem. §§ 280 I, 311 BGB geltend gemacht werden, sondern ggf. auch ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren wegen Betruges gegen ihn bzw. die für die vorvertragliche Aufklärung zuständigen Personen eingeleitet wird.

FAZIT: SCHÄTZUNGEN ODER NICHT BELEGBARE ERWAR TUNGEN SOLLTEN VERMIEDEN WERDEN

Zusammenfassend betrachtet, bestätigt die Entscheidung des OLG Hamburg, dass nur dann von einer zutreenden vorvertraglichen Aufklärung beim Abschluss eines Franchise-Vertrages ausgegangen werden kann, wenn die einem Franchisenehmer-Interessenten mitgeteilten Umsatzprognosen nicht auf Schätzungen, sondern auf tatsächlichen Zahlen und damit auf einer nachvollziehbaren realistischen Grundlage basieren. Werden lediglich Schätzungen oder Erwartungen oder Gefühle zur Umsatzentwicklung mitgeteilt, so muss dies dem Franchisenehmer-Interessenten – auch ungefragt – mitgeteilt werden. Nur so ist sichergestellt, dass das vom Franchisenehmer in die Angaben des Franchisegebers gesetzte Vertrauen nicht missbraucht wird.

Gleichzeitig wird durch eine solche vorvertragliche Aufklärung auch erreicht, dass die Informationsasymmetrie zwischen Franchisegeber und Franchisenehmer beseitigt wird. Der Franchisegeber weiß nämlich über sein Franchise-System und die Rentabilität der einzelnen Franchise-Outlets „alles“, während der Franchisenehmer-Interessent „nichts“ oder aber „nur sehr wenig“ weiß. Insofern dient die vorvertragliche Aufklärung auch dazu, dieses Informationsdezit des Franchisenehmers aufzufüllen, um so zu einem Vertragsabschluss auf Augenhöhe zu kommen. Eine solche vorvertragliche Aufklärung ist Ausdruck dessen, dass der Franchise-Vertrag eine Vertrauensbeziehung zwischen Franchisegeber und Franchisenehmer darstellt.

QUALITÄT DER VORVERTRAGLICHE AUFKLÄRUNG SOLLTE JEDEM FRANCHISEGEBER INZWISCHEN BEKANNT SEIN

Mit der Entscheidung des OLG Hamburg bestätigt sich, dass die vorvertragliche Aufklärung beim Abschluss von Franchise-Verträgen auf zwei tragenden Säulen beruht: um zum einen richtig und vollständig über die Rentabilität des Franchise-Systems und des geplanten Franchise-Outlets informieren zu können, ist es notwendig, dass die Umsatzprognosen und Rentabilitätsberechnungen nicht auf geschätzten Zahlen, sondern auf nachvollziehbaren realistischen Grundlagen beruhen. Sind solche Grundlagen nicht vorhanden, etwa weil es keine vergleichbaren Franchise-Outlets gibt oder aber das Franchise-System noch keine vergleichbaren Zahlen vermitteln kann, so muss zum anderen dies dem Franchisenehmer-Interessenten auch ungefragt mitgeteilt werden, d.h. dieser ist ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass die Zahlen, die einer Umsatzprognose oder Rentabilitätsanalyse für das geplante Franchise-Outlet zugrunde liegen, lediglich auf Schätzungen nicht aber auf einer realistischen Grundlage beruhen, die auf Erfahrungswerte des Franchisegebers aus vergleichbaren Franchise-Outlets oder tatsächliche Feststellungen zurückgehen.

Insofern verschärft die Entscheidung des OLG Hamburg auch nicht die vorvertragliche Aufklärung beim Abschluss von Franchise-Verträgen, sondern konkretisiert den Grundsatz, in welcher Weise richtig und vollständig ein Franchisenehmer-Interessent über die Rentabilität eines Franchise-Systems bzw. des geplanten Franchise-Outlets im Rahmen der Vertragsverhandlungen aufzuklären ist.

SAUBERE VORVERTRAGLICHE AUFKLÄRUNG BEDEUTET KEINE RENTABILITÄTSGARANTIE

Als derzeitige Tendenz in der Rechtsprechung ist festzuhalten, dass zwar wieder verstärkt der Franchisenehmer-Schutz betont wird, jedoch dieser verstärkte Franchisenehmer-Schutz nicht dazu führt, dass die vorvertragliche Aufklärung nicht einer Rentabilitätsgarantie für den Franchisenehmer gleichkommt. Insofern bleibt es dabei, dass der Franchisegeber nicht Existenzgründungsberater des Franchisenehmers ist.

Auch kann nicht von einer Verletzung vorvertraglicher Aufklärungspichten gesprochen werden, wenn der Franchisenehmer Verluste erwirtschaftet, die auf die allgemeinen wirtschaftlichen Risiken zurückzuführen sind, die zwingend mit einer jeden selbständigen Tätigkeit verbunden sind.

Der Franchisegeber ist eben nicht „Zahlstelle des Franchisenehmers“ für die von diesem erwirtschafteten Verluste. Alles andere würde eine Überdehnung der Grundsätze der vorvertraglichen Aufklärung darstellen und Franchisegeber eher dazu zwingen, zukünftig auf den Abschluss von Franchise-Verträgen wegen unübersehbaren Risiken Abstand zu nehmen. Eine solche in die Interessen des Franchisegebers eingreifende vorvertragliche Aufklärung wird auch nicht von der Rechtsprechung – weder gegenwärtig noch zukünftig – verlangt werden.