Der Schritt zur Selbstständigkeit – 10 Tipps von Günter Erdmann, Rechtsanwalt und Wirtschafts-Mediator

igenda FACHMAGAZIN
[PDF Download, 290.55 KB]
21.03.2014

„Drum prüfe, wer sich ewig bindet“. Dieses Sprichwort gilt insbesondere für den Schritt in die Selbstständigkeit durch Aufbau des eigenen Unternehmens in einem Franchise-System. Gerade weil dieser Schritt meist mit erheblichen Investitionen verbundenen ist und Franchiseverträge in der Regel eine lange Laufzeit haben, gilt eine fundierte Prüfung in besonderem Maße.

Die nachfolgenden 10 Tipps sollten bei der Entscheidung Berücksichtigung finden:

Tipp 1: Im Vordergrund steht die kritische Überprüfung der eigenen Fähigkeiten im Hinblick auf eine meist vertriebliche, aber auch kaufmännische und fachliche Qualifikation (Persönliche Erfolgsfaktoren). Fernerhin die Bereitschaft, sich in ein Marketing- und Vertriebssystem einzuordnen, dass für den gemeinsamen Erfolg eine konsequente Aufgabenverteilung voraussetzt und im Wesentlichen keinerlei Gestaltungsspielräume bezogen auf die Umsetzung des Franchise-Systems lässt.

Tipp 2: Unternehmer, die den Schritt in die Selbstständigkeit wagen, stehen vor der Qual der Wahl: Rund 1.000 Systeme operieren derzeit am Markt in Deutschland, wovon gut 250 Systeme im Deutschen Franchise-Verband (DFV e.V.) organisiert sind. Nicht jede gute Idee eignet sich für den Schritt in die Selbstständigkeit, schon gar nicht, wenn man als Versuchskaninchen ins Rennen geschickt wird. Nicht umsonst verspricht jedes Franchise-System mit einer Multiplizierung ein „erprobtes Konzept“ und das gilt es zu hinterfragen und zu überprüfen.

Tipp 3: Ein erprobtes Franchise-System hilft durch Systemleistungen, sich auf die Umsetzung des eigentlichen Geschäftskonzeptes und das eigene Unternehmen zu konzentrieren. Die Systeme bieten eine Vielzahl von konkreten Leistungen, die darauf abgestimmt sein sollten, dass die Systemzentrale als Dienstleister der Franchisenehmer alle erforderlichen zentralen Leistungen wie z.B. Marketing, Vertrieb, Sortimente, Einkauf, Know-how-Entwicklung, Systemeinheitlichkeit und betriebswirtschaftliche Beratung erbringt. Wenn dies gewährleistet ist, was zu überprüfen gilt, so trifft den Franchisenehmer Verantwortung im Wesentlichen für Umsatz und Personal.

Tipp 4: Erfolgreiches Franchising ist ein aus­geglichenes und partnerschaftliches Verhältnis von „Geben“ und „Nehmen“. Dieses Verhältnis muss sich auch in den vertraglichen Regelungen im Rahmen des zu schließenden Franchisevertrages widerspiegeln. Der Franchisenehmer ist kein Angestellter des Franchisegebers, wenngleich er als Vertriebsmittler eng in die Absatzorganisation des Franchise-Systems eingebunden ist. Die Spielregeln in der Aufgabenverteilung sollen sich im Franchisevertrag partnerschaftlich widerspiegeln.

Tipp 5: Die Gebührenstruktur muss im angemessenen Verhältnis zu den Systemleistungen und den Ertragschancen der Zukunft stehen. Eintrittsgebühren müssen einen echten Wettbewerbsvorteil schaffen. Zu klären ist, ob die Franchise- und Marketinggebühren in einem nachvollziehbaren Verhältnis zu den erhaltenen Leistungen, dem Bekanntheitsgrad und den tatsächlichen Werbemaßnahmen des Systems stehen. Dies gilt gerade auch, wenn es um die Übernahme ausländischer Konzepte z.B. als Master-Franchisenehmer geht.

Tipp 6: Eine realistische Investitions- und Betriebsergebnisplanung wird entweder der Franchisegeber liefern oder diese wird gemeinsam erarbeitet, je nach den Erfordernissen des in Aussicht genommenen Standortes. Diese Investitionen müssen sich mit den prognostizierten Umsätzen und Erträgen innerhalb der Vertragslaufzeit amortisieren. Und letztendlich machen solche Investitionen nur dann Sinn, wenn ein angemessener Unternehmergewinn realisiert wird. Hier sollte der Franchisegeber Zahlen darüber liefern, welche Umsätze und Erträge ein Franchisenehmer üblicherweise erwarten kann. Häufig gibt es dazu ein vorvertragliches Aufklärungsdokument, was es zu erfragen gilt.

Tipp 7: Die Eigenkapitalausstattung ist bei jedem Schritt in die Selbstständigkeit von fundamentaler Bedeutung. Ein Grund für das Scheitern einer Existenzgründung ist sehr häufig ein Mangel an Eigenkapital und ausreichende Liquidität bis zur Erreichung der Gewinnschwelle. Ein Eigenkapitaleinsatz von 20 bis 30 Prozent ist in jedem Falle erforderlich. Wenn bewertbare Mittel nicht zur Verfügung stehen, wird es schwer. Im Rahmen der Gesamtfinanzierung und Planung der Ertragskraft ist natürlich auch zu berücksichtigen, dass der Franchisenehmer eigenständig Vorsorge für die Bereiche Krankheit, Berufsunfähigkeit und Altersvorsorge zu treffen hat. Ein Franchisenehmer ist im Übrigen im Rahmen von § 2 Nr. 9 SGB IV grundsätzlich rentenversicherungspflichtig, wenn er ausschließlich allein den Franchisegeschäftsbetrieb führt und keine Mitarbeiter beschäftigt, insbesondere auch nicht solche im Rahmen einer gering­fügigen Beschäftigung, die die Summe der Arbeitsentgelte von monatlich 450 Euro übersteigt. Seit einer grundlegenden Entscheidung des Bundessozialgerichtes ist dies die Richtschnur und Franchisenehmer werden in diesem Falle als „Solo-Selbstständige“ der Rentenversicherungspflicht unterworfen.

Tipp 8: Auch wenn der Franchisegeber den Schritt in die Selbstständigkeit begleitet, so sollten Dienstleistungen von Gründungsberatern und fachkundigen Anwälten in Anspruch genommen werden. Wenn es um langfristige Bindung und nicht unerhebliches Investment geht, so dürfen auch die Kosten für eine Vertragsprüfung nicht gescheut werden. Hilfreich ist in jedem Falle auch eine Aus- und Fortbildung in den Bereichen Steuern und Finanzen einschließlich Buchhaltung und Rechnungswesen. Hierzu gibt es meist kostengünstige Hilfestellungen bei nahezu allen Industrie- und Handelskammern. Aber auch bieten hierzu viele Systeme eigenständige Schulungen für einen Unternehmer-Führerschein.

 

Tipp 9: Das „Fairplay-Franchising“ und die Spielregeln für partnerschaftlichen Erfolg, sollten verinnerlicht werden:

  • 1. Regel: Wer die Kuh melken will, muss sie auch füttern.
  • 2. Regel: Wertschöpfung kommt von Wertschätzung.
  • 3. Regel: Erfolg braucht partnerschaftliche Führung.
  • 4. Regel: Franchising ist eine emotionale Heimat.
  • 5. Regel: Das Potenzial der Soft-Faktoren ist stärker als man glaubt.
  • 6. Regel: Erfolg und Wachstum bringen auch Risiken mit sich.
  • 7. Regel: Systemführerschaft und Denken in Netzwerken schaffen Vorsprung.
  • 8. Regel: Jeder Erfolg hat Spielregeln.
  • 9. Regel: Konsequenz ist wichtiger als Strenge.
  • Das partnerschaftliche Zusammenwirken im Rahmen des Vertrages sollte auch daran gemessen werden, ob es für den Fall des Konfliktes ein zeitgemäßes Risikomanagement mit Mediationsvereinbarungen oder Vereinbarungen für die Durchführung eines Schiedsverfahrens gibt. Erst wenn Kommunikation und konsensuale Streitbeilegungsverfahren nicht zum Erfolge führen, soll der Weg zu den staatlichen Gerichten eröffnet werden. Dies ist effektiv und kostengünstig für beide Seiten.

Tipp 10: Und wie immer im Leben: Das gute Bauchgefühl oder anders formuliert, der gesunde Menschenverstand sollte auch bei der Entscheidung in die Selbstständigkeit nicht unbeachtet bleiben. Nur wenn der Interessent hundertprozentig hinter seiner Entscheidung und dem in Aussicht genommenen System steht, sollte der Schritt in die Selbstständigkeit gewagt werden. Dazu ist es sicherlich hilfreich, alle davon Betroffenen in der Familie und im persönlichen Umfeld in die Entscheidung einzu­beziehen.

Keine Erfolgsgarantie

Wer all dies beherzigt und diesen Tipps folgt, wird immer im Auge behalten müssen, dass es keine Erfolgsgarantie gibt und auch bei den besten Systemen ein wenn auch geringeres, so doch verbleibendes Restrisiko eines Totalverlustes gibt. Auch dies wird man sich bewusst machen müssen. Diesem Risiko steht allerdings in jedem Falle ein positiver motivationsfördernder Entschluss gegenüber, eben der Weg zum eigenen Unternehmen.