Ausgleichszahlungen bei der Beendigung von Franchiseverträgen?: Mythos und Rechtswirklichkeit

igenda FACHMAGAZIN
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21.11.2013

Häufig sind Franchisenehmer der Auffassung, ihnen stünde bei der Beendigung des Franchisevertrages ebenso wie einem Handelsvertreter eine Abfindung zu. Umgekehrt sind Franchisegeber oft der Meinung, ein solcher Abfindungsanspruch existiere unter keinen denkbaren Umständen. In dieser Ausgabe wollen wir uns der Antwort auf die Frage nähern, was von diesen gegensätzlichen Ansichten Mythos und was (Rechts-)Wirklichkeit ist.

In der letzten Ausgabe der forSYSTEMS war das Rechtsthema die Beendigung von Franchiseverträgen, sog. Exit-Strategien von Franchisenehmern. Unter den dort besprochenen vielfältigen Aspekten, die vor, während und nach der Beendigung von Franchiseverträgen zu beachten sind, verdient ein Punkt eine vertiefte Betrachtung, der in Beendigungsszenarien regelmäßig eine maßgebliche Rolle spielt: Ausgleichszahlungen.

Dr. Ilmo Pathe gibt der forSYSTEMS einen Überblick zu diesem Bereich. Er ist Rechtsanwalt in der Kanzlei von Dr. Helmuth Liesegang, eine der renommiertesten Kanzleien in Deutschland, wenn es um das Thema Franchising geht.

Um die dabei bestehenden Interessenlagen und möglichen Konfliktlinien zu verstehen, werfen wir zunächst einen Blick auf den franchisevertraglichen Normalfall:

DER VERTRAGLICHE NORMALFALL: AUSLAUFEN DES FRANCHISEVERTRAGES

Mit dem Franchisevertrag erwirbt der Franchisenehmer vom Franchisegeber das Recht, für das von ihm betriebene Unternehmen Systemleistungen (insbesondere Nutzung der Marke und des System-Know-how) in Anspruch zu nehmen. Dieses Recht ist allerdings zeitlich befristet. Die meisten Franchiseverträge verfügen über eine mehrjährige Laufzeit und enden dann automatisch, ohne dass eine Kündigung erforderlich ist. Andere Franchiseverträge sind unbefristet abgeschlossen; sie können aber mit meist längeren, mehrmonatigen Kündigungsfristen gekündigt werden. Grundsätzlich ist aber allen Franchiseverträgen gemein, dass mit ihrer Beendigung die Rechte des Franchisenehmers zur Nutzung der Systemleistungen aufhören. Da Franchisegeber und Franchisenehmer außerhalb des Franchisevertrages voneinander unabhängige Unternehmen betreiben, existieren diese nach der Beendigung des Franchisevertrages unabhängig voneinander weiter. Für den Franchisegeber bedeutet dies, dass er den Standort des Franchisenehmers für sein System verliert. Für den Franchisenehmer hat die Beendigung zur Folge, dass er sein Unternehmen außerhalb des Franchisesystems und ohne dessen Leistungen nach seiner Wahl fortführen oder beenden (liquidieren) muss. Vor allem darf der Franchisenehmer die Marken, die Logos, kurz das gesamte Corporate-Design und Know-how, des Franchisegebers nicht mehr verwenden. Da diese Assets dem Franchisegeber gehören, ist dieses Ergebnis durchaus richtig. Nach dem Ende eines Leasingvertrages käme auch niemand auf die Idee, dem Leasingnehmer die Nutzung des geleasten Geschäftswagens weiter zu gestatten.

Im Ergebnis werden Franchisegeber und Franchisenehmer zu Konkurrenten und unterliegen damit den Rücksichtnahmepflichten des allgemeinen Wettbewerbsrechts, namentlich des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG).

DER VERTRAGLICHE NORMALFALL: KEINE PARALLELE ZUM HANDELSVERTRETER

Da also jede Seite ihr jeweiliges Unternehmen mit allen dazugehörenden Vermögensgegenständen und –positionen behält, gibt es auch keinen Anlass, über irgendwelche Ausgleichsmechanismen nachzudenken. In dieser Hinsicht unterscheidet sich der hier beschriebene vertragliche Normalfall grundlegend von der Situation bei der Beendigung eines Handelsvertretervertrages. Diese Unterscheidung ist aus dem Grund wichtig, dass das Gesetz in § 89b HGB für den Handelsvertreter einen vertraglich nicht auszuschließenden Anspruch auf Zahlung einer Abfindung bei Beendigung seines Vertrages vorschreibt. Die wirtschaftliche Rechtfertigung dieses Anspruchs liegt darin, dass der
Unternehmer (Prinzipal) auch nach der Beendigung des Vertrages die von dem Handelsvertreter geworbenen Kunden weiter beliefern kann. Der Prinzipal zieht also aus der Tätigkeit des Handelsvertreters auch noch Vorteile, wenn der Handelsvertreter längst keine Provisionen mehr erhält.

Dies ist bei der oben beschriebenen „normalen“ Beendigung des Franchisevertrages ganz anders. Der Franchisenehmer behält sein Unternehmen, zumindest nach den Bestimmungen des Franchisevertrages seinen Standort und vor allem seine sämtlichen Kundenbeziehungen. Da der Franchisenehmer bei Beendigung des Franchisevertrages daher nichts abgibt und der Franchisegeber auch nichts erhält, ist kein Raum für eine wie auch immer geartete Ausgleichszahlung.

Dies haben in den letzten Jahren verschiedene Gerichte auch so entschieden. Rechtlich ist die Angelegenheit daher ebenso eindeutig wie wirtschaftlich interessengerecht.

DIE REALITÄT: ABWEICHENDE VERTRAGS­KONSTELLATIONEN

So erfreulich klar das vorstehende Ergebnis ist, so häufig wird es jedoch von abweichenden vertraglichen Konstellationen und Interessenlagen in der Wirklichkeit überholt.

Der Franchisenehmer als Untermieter des Franchisegebers

Eine nicht selten anzutreffende Gestaltung ist die Anmietung des Franchisenehmer-Standorts durch den Franchisegeber und dessen anschließende Untervermietung an den Franchise­nehmer. Die Laufzeit des Untermietvertrages ist dabei regelmäßig an die Laufzeit des Franchisevertrages geknüpft. Endet der Franchisevertrag, endet auch das Untermietverhältnis. Danach behält der Franchisenehmer zwar weiterhin alle Rechte an seinem Unternehmen einschließlich des Kundenstammes. Er ist aber gezwungen, den Standort zu räumen und sein Unternehmen an einer anderen Stelle weiterzubetreiben, wenn der Franchisegeber nicht den Untermietvertrag ungeachtet der Beendigung des Franchisevertrages verlängert. Zu einer Verlängerung wird sich der Franchisegeber aber nur in Ausnahmefällen bereitfinden, wird das Zwischenmietmodell doch gerade gewählt, um dem Franchisegeber die Möglichkeit zu erhalten, den meist von ihm sorgfältig für sein System ausgewählten Standort weiter zu nutzen. Jedenfalls soll sich dort kein Wettbewerber – und sei es nur ein ehemaliger Franchisenehmer – niederlassen.

Dennoch ändert sich an dem Ergebnis zunächst nichts, dass Ausgleichszahlungen weder rechtlich geschuldet noch wirtschaft­lich veranlasst sind. Denn die Antwort auf die Kernfrage, ob der Franchisenehmer durch die Beendigung des Franchiseverhältnisses wirtschaftliche Positionen aufgibt und der Franchisegeber diese Positionen übernimmt, bleibt unverändert. Durch die Rückgabe des Standorts kommt es ebenso wenig zur Übernahme solcher Positionen (namentlich des Kundenstamms) wie durch die Beendigung der Nutzung der Systemleistungen. Die Beurteilung, ob möglicherweise ein Ausgleich wirtschaftlich veranlasst ist, wird durch die Beendigung des Mietverhältnisses nicht verschoben. Ein Mietverhältnis endet auch dann irgendwann einmal, wenn es mit einem anderen Vermieter als dem Franchisegeber abgeschlossen ist. Ein Ausgleich im Sinne einer Analogie zu handelsvertreterrechtlichen Grundsätzen käme allenfalls dann in Betracht, wenn der Franchisegeber aus der Beendigung des Untermietverhältnisses vertriebswirtschaftliche Vorteile zöge. Dies ist bei der schlichten Räumung des Standorts durch den Franchisenehmer infolge der Beendigung des Mietverhältnisses nicht der Fall. Der dem Franchisegeber dadurch entstehende (immobilienwirtschaftliche) Vorteil einer anderweitigen Vermietung des Standorts reicht für eine entsprechende Anwendung des Handelsvertreterrechts nicht aus.

Kundendaten

Ein anderes Beispiel für eine von dem Normalfall abweichende Vertragsgestaltung ist eine Verpflichtung des Franchisenehmers, dem Franchisegeber nach Beendigung des Franchisevertrages die Kontaktdaten seiner Kunden zu überlassen. Eine solche Regelung, die im Übrigen auch aus datenschutzrechtlichen Aspekten von Interesse ist (hiermit wird sich forSYSTEMS in einem der nächsten Hefte beschäftigen), führt allerdings einigermaßen direkt in die Anwendung der Bestimmungen zum Handelsvertreterausgleichsanspruch. Mit der Übertragung der Kundendaten wird der Franchisegeber in die Lage versetzt, auch in Zukunft Vorteile aus diesen Beziehungen zu ziehen. Die wirtschaftliche Situation ist also mit der Beendigung des Handelsvertreterverhältnisses identisch. Eine Kompensation derartiger, dem Franchisegeber zufließender Vorteile durch die Übernahme der Kundendaten ist daher durchaus sachgerecht.

DIE REALITÄT: VOM NORMALFALL ABWEICHENDE INTERESSENLAGEN

Dennoch nähern sich die Überlegungen dem zentralen Problem. Häufig entsprechen die Interessenlagen von Franchisegeber und Franchisenehmer in derartigen Konstellationen überhaupt nicht dem vertraglichen Normalfall. So ist der Franchisenehmer oft weder willens noch in der Lage, sein Unternehmen an dem Standort – oder bei einem Zwischenmietmodell – an einem Standort in der Nachbarschaft fortzusetzen. Der Franchisegeber seinerseits hat durchaus ein Interesse, dass der Standort, der – wie gesagt – nicht selten von ihm selbst ausgesucht wurde, weiterhin im Rahmen seines Franchisesystems betrieben wird.

Ausgleichszahlung bei Schließung des Standorts?

Dabei liegt die Herausforderung nach der Beendigung des Franchisevertrages zunächst im Bereich des Franchisenehmers. Will (oder kann) der Franchisenehmer sein Unternehmen nicht mehr fortführen, bleiben ihm grundsätzlich zwei Möglichkeiten: Er kann versuchen, das Unternehmen als lebende Einheit zu verkaufen, oder er kann das Unternehmen schließen. Die letztgenannte Möglichkeit ist dabei in der Regel die weniger wirtschaftliche, da der eigentliche Wert des Franchisenehmerunternehmens meistens in den Kundenbeziehungen und weniger in den Sachwerten der Betriebs- und Geschäftsausstattung liegt. Dieser ideelle (Geschäfts-)Wert lässt sich regelmäßig nur im Rahmen eines weiterlaufenden Geschäftsbetriebs realisieren. Bei einer Schließung des Unternehmens verflüchtigt sich ein Geschäftswert in den meisten Fällen; ein Kaufpreis lässt sich dann dafür nicht mehr erzielen. Von daher besteht die Aufgabe für den Franchisenehmer in diesem Fall darin, für sein Unternehmen einen Erwerber zu finden. Andernfalls wird er im Rahmen der Auflösung des Unternehmens nur noch einen eher geringen Erlös für die überwiegend gebrauchten Gegenstände seiner Betriebs- und Geschäftsausstattung erzielen.

Die Position des Franchisegebers hängt davon ab, ob er über ein Zwischenmietmodell unmittelbar über den Standort verfügt oder ob er für eine Beibehaltung des Standorts in seinem System den Standort (also z.B. den Mietvertrag mit dem Eigentümer) zunächst von dem Franchisenehmer übernehmen muss. Im erstgenannten Fall ist seine Situation erst einmal komfortabel: Er kann frei entscheiden, ob er den Standort aufgibt, eine eigene Niederlassung dort gründet oder den Standort einem neuen Franchisenehmer überlässt. In dem letztgenannten Fall muss der Franchisegeber von vornherein das Einvernehmen mit dem Franchisenehmer suchen, will er den Standort erhalten und sich nicht in der Nähe einen neuen Standort suchen müssen.

Aber auch im zweiten Fall ist die Position des Franchisegebers nicht völlig ohne Fragezeichen. Eröffnet er oder ein neuer Franchisenehmer an dem gleichen Standort ein neues Unternehmen seines Systems, so besteht die Möglichkeit, von den an den Standort gebundenen Kundenbeziehungen des alten Franchisegebers zu profitieren. Für die Laufkundschaft eines Ladengeschäfts dürfte dies besonders einleuchtend sein. Auf dieser Grundlage ist das Argument naheliegend, die von dem Franchisenehmer an dem konkreten Standort geschaffenen Kundenbeziehungen, die faktisch auf den Franchisegeber im Rahmen der Übertragung des Standorts übergehen, würden eine entsprechende Kompensationsnotwendigkeit auslösen. Dennoch wird man selbst in diesen Fällen noch abwägen müssen, ob die Kundenbeziehungen tatsächlich auf der Eigenleistung des Franchisenehmers oder nicht (zumindest) auch auf Beiträge des Franchisegebers (z.B. im Rahmen der Sogwirkung seiner Marke) beruhen. Eine (Mit-)Erschaffung des Kundenstammes durch den Franchisegeber schließt eine Kompensationsnotwendigkeit aus oder reduziert diesen zumindest.

ERGEBNIS: DIE REALITÄT ERFORDERT EINE PRAGMATISCHE LÖSUNG

Als Fazit lässt sich festhalten, dass bei einem Widerstreit der Befürworter und Gegner einer Kompensationsnotwendigkeit beide Seiten im Prinzip Recht haben. Soweit nicht besondere vertragliche Gestaltungen wie die Pflicht zur Übertragung des Kundenstamms eine andere Bewertung erfordern, ist in Franchiseverträgen grundsätzlich kein Raum für eine entsprechende Anwendung der Bestimmungen zum Handelsvertreterausgleichsanspruch. Das Interesse des Franchisenehmers an einer Veräußerung seines Unternehmens nach Beendigung des Franchisevertrages und das gegenläufige Interesse des Franchisegebers an einer Fortführung des Standorts ergeben aber häufig eine Situation, die durchaus aus Sicht beider Seiten Überlegungen zu einer Vergütung des Kundenstamms des Franchisenehmers erforderlich machen. Damit befindet man sich streng genommen zwar rechtlich nicht auf dem Terrain eines Handelsvertreterausgleichsanspruchs, sondern auf demjenigen eines zwischen den beiden Seiten frei zu verhandelnden Kaufpreises für den Kundenstamm und weiter für das gesamte Unternehmen des Franchisenehmers. Wirtschaftlich sind die beiden Vorgänge aber identisch.

Die geschäftliche Praxis hat sich auf der Grundlage dieses rechtlichen Rahmens im Ergebnis aber über diesen hinwegsetzend dahin entwickelt, dass die Verhandlungen über die Beendigung eines Franchiseverhältnisses bei gleichzeitiger Beibehaltung des jeweiligen Standorts in dem Franchisesystem in einer faktischen Übernahme des Unternehmens des Franchisenehmers gegen Entgelt münden. Nicht selten tritt dabei der Franchisegeber nur als Zwischenerwerber in Erscheinung, indem er den Standort unmittelbar an einen neuen Franchisenehmer als Betreiber weiterverkauft. Alternativ moderiert der Franchisegeber häufig den zwischen dem alten und dem neuen Franchisenehmer unmittelbar abgeschlossenen Kaufvertrag über das Unternehmen des Franchisenehmers am Standort. Auf diese Weise schließt sich aber auch der Kreis dieser Überlegungen, da wir uns hier wieder im vertraglichen Normalfall befinden, in dem der Franchisenehmer nach der Beendigung des Franchisevertrages frei über sein Unternehmen, nämlich durch Verkauf, verfügt.