Die Expansion des Fressnapf-Franchise-Systems nach Österreich unter rechtlichen Aspekten
Bei der grenzüberschreitenden Expansion müssen auch die rechtlichen Rahmenbedingungen im Zielland berücksichtigt werden. Dr. Christoph Haag beschreibt in seinem forSYSTEMS-Beitrag den Internationalisierungsprozess von Fressnapf nach Österreich aus juristischer Perspektive.
Zwölf Länder, eine Vision: Happier Pets. Happier People.
1997 ist mit dem ersten Markt in Österreich der Grundstein für die europäische Expansion von Fressnapf gelegt worden. Seitdem hat sich viel getan: Neben Deutschland können Tierfreunde in elf weiteren europäischen Ländern und über 450 Märkten außerhalb Deutschlands an der Fressnapf-Vision „Happier Pets. Happier People.“ teilhaben. Obwohl alle Länder zu einer großen Fressnapf- und MAXI ZOO-Familie gehören, hat jedes seine Besonderheiten in Sachen Wettbewerb und Wünsche der Tierhalter. So ist beispielsweise Aquaristik in Deutschland beliebter als in Österreich. Der allgemein bekannte Spruch „andere Länder, andere Sitten“ stellt deshalb auch keine leere Floskel dar. Denn die genauen Kenntnisse der unterschiedlichen (lokalen) Bedürfnisse der Tierhalter und ihrer Tiere sind für den Erfolg von Fressnapf in Österreich ebenso zwingend erforderlich, wie die Schaffung und Beibehaltung einer soliden landesspezifischen Vertragsbasis unter Beachtung der österreichischen gesetzgeberischen Vorgaben.
Die zutreffende rechtliche Grundlage scheint 17 Jahre nach dem Markteintritt geschaffen worden zu sein: Pionier Österreich ist mit über 120 Fressnapf-Märkten und einer Markenbekanntheit von über 98 Prozent neben Deutschland das umsatzstärkste Familienmitglied. Es spricht für den Erfolg und die Stabilität von Fressnapf Österreich, dass binnen kurzer Zeit nicht nur in Deutschland, sondern auch in Österreich neue Pilotprojekte bzw. neue Konzepte eingeführt wurden. So erfolgte elf Jahre nach der Markteinführung von Fressnapf in Österreich im Jahr 2008 sogar die Eröffnung des allerersten Megazoo-Marktes in Wien. Das im Fressnapf-Headquarter in Krefeld entwickelte Großflächenkonzept Megazoo wurde erst danach in Deutschland eingeführt.
Hybrid-Strategie via Master-Franchising
Es stellte sich also Mitte der Neunziger Jahre die Frage, welches Vertrags- und Expansionsvehikel die strategischen Planungen in Krefeld am besten unterstützt. Es lagen zwar zu diesem Zeitpunkt Erfahrungswerte von anderen deutschen Franchise-Systemen – beispielsweise aus dem Baumarktbereich – vor, die bereits vor Fressnapf den Markteintritt in Österreich geplant und umgesetzt hatten. Schnell wurde aber klar, dass Fressnapf seinen eigenen Weg finden musste. Die in den ersten Jahren seit der Gründung von Fressnapf im Jahre 1989 in Deutschland bestehenden Erfolgsfaktoren sollten demnach in Österreich ebenso zur Anwendung kommen. Hierzu zählte allen voran das Finden von leistungsbereiten Franchise-Nehmern, die die erforderliche Leidenschaft für die Heimtierbranche mitbringen und die mit ihrer lokalen Marktnähe und -kenntnis ein entsprechendes Marktnetz spannen. Andererseits war die eigene Marktnähe für den System-Geber Fressnapf ebenso obligatorisch, so dass man sich schnell gegen die alleinige Vergabe von Franchise-Lizenzen direkt aus Krefeld heraus an (neue) Franchise-Nehmer in Österreich entschied. Es sollte also bewusst ein Mischsystem aufgebaut werden, das die Vorzüge von Franchise-Betrieben mit den für eine schnelle Marktdurchdringung erforderlichen eigenen Filialstrukturen kombiniert.
Um diese Kombination so umsetzen zu können, wurde entschieden, dass eine eigene Tochtergesellschaft in Österreich gegründet wird. Dies geschah in der Nähe von Salzburg, wobei 2011 die dortige Zentrale aus Platzmangel bereits in ein neues Gebäude zog. Um die österreichische Zentrale mit den Rechten auszustatten, die sie zum Führen eines solchen Mischsystems benötigt, wurde ein Master-Franchise-Vertrag zwischen dem Master-Franchise-Geber in Krefeld und dem Master-Franchise-Nehmer in Salzburg abgeschlossen. Dies ermöglichte dem Master-Franchise-Nehmer einerseits die Weitergabe der entsprechenden Nutzungsrechte an der Marke Fressnapf und der erprobten Marketingkonzeption an die Franchise-Nehmer (eigentlich Sub-Franchise-Nehmer) und andererseits die Nutzung dieser Rechtseinräumung für die eigene Expansion. Weitere essentielle Regelungspunkte innerhalb des Master-Franchise-Vertrages waren der Warenbezug, insbesondere der Bezug der systemimmanenten Eigenmarken, sowie die Weitergabe der standardisierten IT- und Logistik-Prozesse.
Obgleich der Master-Franchise-Vertrag bei der Fressnapf Expansion nach Österreich zunächst als reiner Intercompany-Vertrag verstanden werden muss, bestand die zentrale Herausforderung in der Vereinbarung eines ausgewogenen Rechte- und Pflichtenkatalogs. Denn eine angemessene Balance zwischen der Übernahme und einheitlichen Umsetzung der bereits in Deutschland entwickelten Leistungspakete sowie der unternehmerischen Freiheiten, sowohl des Master-Franchise-Nehmers als auch des (lokalen) Franchise-Nehmers, stellt bereits die Weichen für eine erfolgreiche Kooperation. Da es sich um die erste grenzüberschreitende Franchise-Vertragsgestaltung handelte, hatte das österreichische Master-Franchise-Vertragsgebilde Pilotcharakter. Weitere cross-border-Aktivitäten in anderen Ländern standen an, so dass der Vertrag als Muster für die weitere internationale Expansion zu verstehen war.
Standardisierung mithilfe des (deutschen) Franchise-Vertrages
Dass es sich bei dem in Deutschland bereits bewährten Franchise-Vertrag auch in Österreich um einen Standard-Vertrag handeln würde, wurde bei der praktischen Umsetzung schnell deutlich. Selbstverständlich stellte der Master-Franchise-Geber dem Master-Franchise-Nehmer auch seinen deutschen Standard-Franchise-Vertrag als Muster zur Verfügung. Die notwendige Adaption dieses Vertragswerks an das österreichische Recht war schnell geschehen. Die Vorgaben der beiden Rechtsordnungen wiesen im Hinblick auf diesen Franchise-Vertrag einige Parallelen auf, zumal Österreich durch den damals gerade erst vollzogenen Beitritt zur Europäischen Gemeinschaft den zahlreichen europäischen Kodifikationen unterfiel. So konnte eine modifizierte Version des deutschen Franchise-Vertrages auch mit den österreichischen Franchise-Nehmern abgeschlossen werden. Eine Standardisierung des Franchise-Vertrages zwischen Master-Franchise-Nehmer und (Sub-)Franchise-Nehmer war damit von Anfang an geschaffen. Demnach fand keine Verfälschung des Standard-Franchise-Vertrages infolge einer unzutreffenden oder zu weit gehenden rechtlichen Anpassung an die neue Rechtsordnung statt.
Die Marke Fressnapf hat höchste Priorität
Im Rahmen der Darstellung der Inhalte des Master-Franchise-Vertrages zeigte sich, dass die Marke zentraler Regelungspunkt ist. Um die Bedeutung der Marke bei einer Internationalisierung eines Franchise-Systems noch stärker hervorzuheben, kann an dieser Stelle vor allem auf die Ausführungen von Albrecht Schulz in „Das Franchise-System – Handbuch für Franchisegeber & Franchisenehmer“ verwiesen werden; in seinen dortigen „100 praktischen Überlegungen für die internationale Expansion eines Franchisesystems“ nennt er die Markensicherung gleich als ersten von hundert Punkten. Im Hinblick auf die erfolgreiche Implementierung des Fressnapf Franchise-Systems in Österreich kann dieser rechtlich so relevante Gesichtspunkt nur nochmals unterstrichen werden. In den strategischen Planungen zur Expansion spielten daher auch die Markenanmeldevorgänge in der Mitte der Neunziger Jahre eine große Rolle, die vor dem Hintergrund der weiteren Expansion des Fressnapf-Systems in andere europäische Länder höchste Priorität genoss. So wurden in diesem Zeitraum gleich mehrfach Fressnapf-Gemeinschaftsmarken angemeldet. Zur Markenstrategie gehörte aber auch, dass für den nicht deutschsprachigen Raum eine weitere Marke gefunden und angemeldet werden musste, was mit der Anmeldung von MAXI ZOO ebenso gelang. Überdies galt es, den europaweiten Erfolg der Fressnapf Eigenmarken abzusichern. So folgten die diversen europäischen Gemeinschaftsmarkenanmeldungen bezogen auf das eigene Produktesortiment, das nicht nur in Deutschland sondern auch auf europäischer Ebene – die lokalen Bedürfnisse durchaus berücksichtigend – beim Verbraucher großen Anklang findet.
Die weitere Entwicklung des Fressnapf Franchise-Systems in Österreich
Der zu Beginn aufgezeigte fortwährende Erfolg des Fressnapf-Franchise-Systems in Österreich mit seinen bislang 120 Märkten zeigt natürlich nicht die Entwicklung „hinter den Kulissen“ auf. Insbesondere in Bezug auf die Franchise-Nehmer verdeutlichte sich zwischen Österreich und Deutschland eine konträre Entwicklung. Während es in Deutschland bei Fressnapf heutzutage eine hohe Anzahl an Franchise-Nehmern gibt, so zeigte sich im Laufe der letzten 17 Jahre eine gegenläufige Entwicklung in Österreich. Dies hat diverse Gründe. Ein wichtiger Grund ist, dass sich die in eigener Regie geführten Märkte in Österreich derart profitabel entwickelten und demnach schnell multiplizieren ließen, dass die komplexe partnerschaftliche Zusammenarbeit zwischen Franchise-Geber und Franchise-Nehmer innerhalb des hybriden Gebildes auf den Prüfstand gestellt werden musste. Die intensive Außendienstbetreuung des Vertriebs für Franchise-Nehmer und die ständige Fortentwicklung der Franchise-Nehmer-Schulungsmaßnahmen stellten den österreichischen Fressnapf Franchise-Geber unter Kosten- und Aufwandsaspekten vor eine Abwägung: sukzessive das vorhandene Mischsystem zu einem Filialsystem zu entwickeln oder die Dynamiken und Synergien der Franchise-Betriebe noch stärker zu bündeln und fortzuentwickeln.
Die Diskrepanz bei der Franchise-Nehmer-Betreuung in Österreich und Deutschland machte sich gerade bei der Gestaltung neuer Konzepte bzw. bei der Fortentwicklung des Franchise-Systems bemerkbar. Besonders deutlich wird dies etwa bei dem Thema „Nachfolgeregelung“, das eine Vielzahl von Franchise-Systemen betrifft, die schon seit mehr als 10 Jahren an Franchise-Nehmer Franchise-Lizenzen vergeben. Während beispielsweise in Deutschland den Nachfolgeprozessen von Franchise-Nehmern „der ersten Stunde“, die etwa an ihre Kinder die bestehenden Franchise-Betriebe weitergeben wollen, bei der Konzeption von eigens dafür entwickelten Schulungsmaßnahmen sehr viel Aufmerksamkeit geschenkt wird, konnte diese Thematik aufgrund des eher punktuellen Auftretens in Österreich nie im Fokus stehen. Die Entwicklung des Fressnapf-Franchise-Systems in Österreich geht daher folgerichtig weg von einem Master-Franchise-Vertragsverhältnis mit hybridem Konzept hin zum direkten Franchising mit (eigener) Filialausrichtung.
Schlussfolgerungen für die weitere Expansion von Fressnapf in Europa
Gleich nach Österreich folgte 1998 der Markteintritt in der Schweiz. Österreich für die weitere Internationalisierung von Fressnapf als „Blaupause“ zu nehmen und eins-zu-eins die identische Vorgehensweise wie beim Nachbarn zugrunde zu legen schied aber bei der Implementierung des Systems in der Schweiz von vornherein aus. Unter rechtlichen Gesichtspunkten sei an dieser Stelle nur der allgemein bekannte Hinweis erlaubt, dass die Schweiz kein Mitglied der Europäischen Union ist. Dies bedeutete auch für die Markenstrategie, die nationalen Gegebenheiten der Schweiz zu berücksichtigen und somit die entsprechenden schweizerischen (IR-)Markenanmeldungen rechtzeitig durchzuführen. Neben den erforderlichen Anmeldeprozessen heißen die Märkte in der Schweiz je nach Sprachregion Fressnapf oder MAXI ZOO, auch der Handzettel kommt dementsprechend in Deutsch oder Französisch in den Druck.
Hinzu kommt, dass sich die Fressnapf-Zentrale in Krefeld bei dem Markteintritt in der Schweiz für die Begründung eines Joint-Venture-Konstrukts entschieden hatte. Auch wenn dies vordergründig ein komplett anderer Ansatz gegenüber dem Markteintritt in Österreich zu sein scheint, so haben sich doch die Bestimmungen des österreichischen Master-Franchise-Vertrages zumindest als Vorlage zur Vertragsgestaltung des Hauptvertragswerkes zwischen Krefeld und dem Schweizer Joint-Venture hervorragend geeignet.
Auch wenn jedes Land seine eigenen „Gesetzesmäßigkeiten“ hat, so hat der Markteintritt in Österreich verdeutlicht, dass Fressnapf einige wesentliche Vorarbeiten bei einer Internationalisierung standardmäßig umsetzen kann. Kernsortimentsbereiche können definiert und ins jeweilige Land geliefert werden; die IT- sowie die Logistik-Prozesse sollten ebenso nahezu unverändert für jedes Land gelten. Überdies konnte ein einheitliches grenzüberschreitendes Marketingkonzept für die ganze Fressnapf- und MAXI ZOO-Gruppe eingeführt werden, wobei das Corporate Design möglichst unverändert europaweit gilt. Alle diese Leistungselemente lassen sich über jeweils einen Hauptvertrag in das Fressnapf- bzw. MAXI ZOO-Land importieren, der in seiner Grundstruktur unverändert bleibt. Die wesentliche (rechtliche) Änderung bei der Wahl und Ausgestaltung des vertraglichen Expansionsvehikels ergibt sich aber dann, wenn ein externer Vertragspartner die Marktdurchdringung mit verantworten will. Die diversen gesellschaftsrechtlichen Mitsprache- und Zustimmungsrechte stellen in operativer und vertraglicher Hinsicht bei einem Joint-Venture einen erheblichen Unterschied zu einer reinen Filialstruktur über eine Tochtergesellschaft dar.