Innovation in Franchisesystemen: Was darf der Franchisegeber, was muss der Franchisenehmer?

igenda FACHMAGAZIN
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Wie jeder andere Wirtschaftszweig lebt die Franchisebranche von der stetigen Weiterentwicklung und Optimierung. Innovation ist für jedes Franchisesystem ein existentielles Thema, nicht zuletzt, um sich verändernden Marktgegebenheiten anzupassen oder auch, um Krisen zu bewältigen. Dabei ist es nicht allein mit der Entwicklung eines Innovationskonzeptes getan – gerade auf die flächendeckende Umsetzung des jeweiligen Konzeptes durch die Franchisenehmer kommt es ganz entscheidend an, damit die seitens der Systemzentrale mit der Veränderung angestrebten Ziele erreicht werden.

Vor allem die Zentralen der Systemgastronomie waren in der jüngeren Vergangenheit in punkto Erneuerung umtriebig. In allen Fällen war und ist die Umsetzung der Konzepte mit teils erheblichen Kosten für die Franchisenehmer verbunden, die diese nicht immer ohne weiteres bereit sind, zu schultern. Zeit- und kostenintensive Reibungen im System durch Auseinandersetzungen zwischen den Franchisepartnern sind vorprogrammiert. In rechtlicher Hinsicht stellt sich die Frage, ob und inwieweit die Franchisenehmer verpflichtet sind, die von der Zentrale weiterentwickelten Konzepte – auf ihre Kosten – umzusetzen.

Basis: Der Franchisevertrag

Basis für das, was gilt, sind die vereinbarten Regelungen. Enthält der Franchisevertrag keine Regelung zu Weiterentwicklungen des Franchisekonzepts und deren Umsetzung, bleibt dem Franchisegeber nur, die Zustimmung des Franchisenehmers zur entsprechenden Änderung bzw. Ergänzung des Franchisevertrages einzuholen. Dass ein solcher Zwang zur nachträglichen Einigung im Hinblick auf Weiterentwicklungen des Franchisesystems, zumal in der Fläche, kaum praktikabel ist, liegt auf der Hand.

Zwar darf ein Franchisenehmer seine Zustimmung je nach Einzelfall möglicherweise aus Gründen von Treu und Glauben gar nicht verweigern; dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass es – je nach Vertragsgestaltung – Hauptleistungs- oder Nebenpflicht des Franchisegebers ist, das Franchisekonzept an veränderte Marktgegebenheiten anzupassen bzw. weiterzuentwickeln. Hierbei hat der Franchisegeber auch einen durchaus weiten Ermessensspielraum hinsichtlich der Maßnahmen, die er ergreift.

Empfehlenswert ist, bereits im Franchisevertrag eine Regelung zu vereinbaren, die die Zulässigkeit von Änderungen des Franchisekonzeptes feststellt. Solche Regelungen sind verbreitet; üblicherweise sind sie in Form sog. „Änderungsvorbehalte“ oder sog. „einseitiger Leistungs­bestimmungsrechte“ zugunsten des Franchisegebers anzutreffen. Es handelt sich also um Klauseln, die – mehr oder weniger konkret im Hinblick auf Voraussetzungen, Umfang und Rechtsfolgen – eine einseitige Gestattung von Änderung des Systems oder Teilen davon durch den Franchisegeber vorsehen und zugleich den Franchisenehmer verpflichten, diese Änderungen auf seine Kosten und innerhalb einer bestimmten Frist umzusetzen.

Gegenstand dieser Änderungsvorbehalte oder einseitigen Leistungsbestimmungsrechte können z.B. sein die systemtypische Einrichtung der Ladengeschäfte, die Systemprodukte, die Systemmarke(n), die Regelungen im Handbuch oder (rechtlich allerdings nicht unproblematisch) das Vertragsgebiet. Die Unterscheidung zwischen beiden Regelungsarten ist eher dogmatischer Natur; insbesondere sind die Kriterien, nach denen ihre Zulässigkeit beurteilt wird, im Wesentlichen die gleichen. Im Folgenden wird daher allein von Änderungsvorbehalt(en) gesprochen.

Allerdings bestehen bei Änderungsvorbehalten im Hinblick auf die eingangs aufgeworfene Frage, ob und inwieweit Franchisenehmer verpflichtet sind, auf Basis solcher Regelungen von der Zentrale vorgenommene Konzeptänderungen auf ihre Kosten umzusetzen, einige recht­liche Fallstricke. Letztlich kommt es, wie nachfolgend aufgezeigt werden wird, auf die Ausgestaltung der jeweiligen Klausel im Einzelnen an.

Änderungsvorbehalte grundsätzlich zulässig

Die gute Nachricht vorab ist, dass nach der Rechtsprechung Änderungsvorbehalte in Franchiseverträgen grundsätzlich zulässig sind. Begründet wird das mit der Franchisesystemen innewohnenden Dynamik und dem daraus folgenden Erfordernis der stetigen Weiterentwicklung.  Soll diese kein Torso bleiben, schließt sie denknotwendig die (Pflicht zur) Umsetzung durch die jeweiligen Standortbetreiber, die Franchisenehmer, ein. Änderungsvorbehalte in Franchiseverträgen können somit als unerlässlich und grundsätzlich zulässig bezeichnet werden; sie sind auch entsprechend verbreitet.

Doch damit hört die Klarheit auch bereits auf. Denn bislang ist der zulässige Umfang von Änderungsvorbehalten noch weitgehend ungeklärt, da die Anforderungen an entsprechende Regelungen nicht immer einheitlich beurteilt werden. Die Beurteilung der Zulässigkeit konkreter Änderungsvorbehalte – und damit die spiegelbildliche Frage, wie weit der Franchisenehmer zur Umsetzung von Änderungen verpflichtet ist –  ist somit in hohem Maße abhängig von den Umständen des konkreten Einzelfalles.

Das liegt daran, dass Franchiseverträge grundsätzlich für eine Vielzahl von Fällen vom Franchisegeber vorformuliert wurden und somit Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) darstellen. Als AGB sind auch diejenigen franchisevertraglichen Klauseln, die Änderungsvorbehalte enthalten, in Bezug auf ihre Wirksamkeit anhand des AGB-Rechts des BGB zu prüfen. Nach dessen Generalklausel sind – auch im unternehmerischen Geschäftsverkehr – solche Bestimmungen in AGB unwirksam, die den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Damit kommen also in ganz entscheidendem Umfang Wertungsfragen ins Spiel, die eine einheitliche Beurteilung verbieten.

Darüber hinaus existiert kaum valide Rechtsprechung, die AGB-rechtliche Wirksamkeit von Änderungsvorbehalten in Franchiseverträgen zum Gegenstand hat, so dass bislang wenig Rechtsklarheit in diesem Punkt herrscht. So entstammen mangels valider Rechtsprechung zum Franchiserecht viele Grundsätze bei der Beurteilung der Zulässigkeit von Änderungsvorbehaltsklauseln einerseits dem Vertragshändlerrecht, andererseits aber auch der (deutlich zahlreicheren) Rechtsprechung zu Preisanpassungsklauseln in Dauerschuldverhältnissen.

Die Rechtsprechung

Das OLG München hat in einer Entscheidung aus dem Jahr 2002  z. B. eine dynamische, globale Verweisung in einem Franchisevertrag auf die vom Franchisegeber entwickelten Richtlinien und Grundsätze „in ihrer jeweils als verbindlich herausgegebenen Fassung“ als unwirksam eingestuft, weil dies den Franchisenehmer unangemessen benachteilige. Dieser im Streit stehende Änderungsvorbehalt sei derart weitreichend, dass er letztlich vergleichbar mit dem Direktionsrecht eines Arbeitgebers und damit unwirksam sei.

Demgegenüber hat der BGH in seiner Entscheidung „McDonald´s“ bereits 1984 festgestellt, dass „ein umfassendes System von Richtlinien […] das von der Klägerin angewandte geeignete Mittel zu seiner Durchsetzung [ist]“ und dass „das System von Richtlinien nicht anders als durch Bezugnahme auf die Betriebshandbücher […] und Management-Programme in den Franchise-Vertrag einbezogen werden kann.“

Eine Vorschrift im Franchise-Vertrag, wonach sich der Franchisenehmer „streng“ an die vom Franchisegeber aufgestellten Vorschriften für Speisen und Getränke, Sauberkeit etc. zu halten habe, die in Betriebshandbüchern konkretisiert werden, und dass der Franchisenehmer „als Vollkaufmann sich auf diese Weise wirksam verpflichtet hat, begegnet keinen rechtlichen Bedenken.“ (BGH Urteil vom 3.10.1984). Eine dezidierte Auseinandersetzung mit den in Handbüchern enthaltenen detaillierten Weisungsrechten des Franchisegebers – und damit mit der Frage, wie weit Weisungen und Änderungen letztlich gehen dürfen –  hat der BGH in dem Urteil jedoch nicht vorgenommen.

Nach der häufig rekurrierten Rechtsprechung im Vertragshändlerrecht lässt sich gleichwohl festhalten, dass Änderungsvorbehalte dann restriktiver beurteilt werden, wenn sie individuelle Rechts- und Vermögenspositionen des Franchisenehmers tangieren (z.B. Handelsspannen wie Rabatte u.ä., Warensortiment, Vertragsgebiet) – gegenüber solchen, die sich auf das Franchisesystem, den Marktauftritt sowie auf das zugrundeliegende Vertriebs- und Marketingkonzept beziehen, und die daher großzügiger beurteilt werden.

Konkret lässt sich aus der bisherigen Rechtsprechung  so viel sagen: u.a. in Anlehnung an die Rechtsprechung zu Preisanpassungsklauseln in Dauerschuldverhältnissen benachteiligen Änderungsvorbehalte den Franchisenehmer nur dann nicht unangemessen, wenn sie transparent gestaltet sind, d.h. Voraussetzungen – insbesondere schwerwiegende Änderungsgründe –, Umfang und Bereiche des Änderungsvorbehaltes konkretisieren, und zwar auch bei Verträgen unter Kaufleuten.

Messlatte: Treu und Glauben

Fest steht also, dass der Franchisegeber nicht alles darf; er hat wegen des erwähnten AGB-rechtlichen Rahmens von Treu und Glauben keinen unbegrenzten Spielraum für Änderungen, darf insbesondere den Franchisenehmer nicht unangemessen benachteiligen.

So ist z.B. einerseits denkbar, dass selbst eine Klausel, die den Franchisenehmer verpflichtet, veraltete Geräte durch neuwertige zu ersetzen, die Interessen des Franchisenehmers nicht angemessen berücksichtigt, da auch ein veraltetes Gerät durchaus noch funktionstüchtig und leistungsfähig sein kann. Etwaige höhere Unterhaltungskosten solcher Geräte im Verhältnis zu neuwertigen Geräten gehen letztlich zu Lasten des Franchisenehmers.

Darüber hinaus ist kaum nachprüfbar, nach Ablauf welcher Zeit oder welcher Anzahl von Zyklen ein Gerät als veraltet gilt. Andererseits könnte der Fall gleichwohl anders zu bewerten sein, wenn trotz noch gegebener Funktionstüchtigkeit veralteter Geräte etwa nur durch deren Ersatz eine Weiterentwicklung des Franchisesystems (z.B. Verbesserung des Geschmacks der zubereiteten Speisen) zu erreichen wäre, was für ein berechtigtes Interesse des Franchisegebers an der betreffenden Änderung spräche.

Negativabgrenzung

Letztlich werden vielfach die Anforderungen an wirksame Änderungsvorbehalte dadurch zu konkretisieren versucht, dass negativ festgestellt wird, was gerade nicht zulässig ist.

Klar dürfte als Ausfluss des Äquivalenzprinzips, also des Prinzips der Entsprechung von vertraglich vereinbarter Leistung und Gegenleistung, sein, dass mit den Änderungen grundsätzlich keine neuen Leistungspflichten nachträglich eingeführt werden dürfen, die eben dieses Verhältnis von Leistung und Gegenleistung nachhaltig beeinflussten. Ebensowenig dürfte es zulässig sein, dass der Franchisegeber über den Änderungsvorbehalt die Risikoverteilung einseitig zu Lasten des Franchisenehmers ändert oder solche Verhältnisse ändert, die in seinen Risikobereich fallen. Da das stete Streben nach Optimierung des Franchisesystems bzw. –konzeptes, wie ausgeführt, ebenso wesensbestimmend wie erforderlich für Franchisesysteme ist, sollten die in den entsprechenden Vertragsbestimmungen vorgesehenen Änderungen grundsätzlich allein dieser Optimierung dienen.

Beschränkung der Kostentragungspflicht?

Teils wird darüber hinaus angeregt, bei der Klauselgestaltung eine Einschränkung der Kostentragungspflicht des Franchisenehmers aufzunehmen, z.B. durch Höchstbetragsgrenzen. Denn der Franchisenehmer habe ein berechtigtes Interesse daran, sich nicht unerwartet einem Nachinvestitionsbedarf ausgesetzt zu sehen.

Nachinvestitionen aufgrund solcher Systemänderungen sind v.a. dann belastend für den Franchisenehmer, wenn sie beispielsweise in der Anlaufphase des Systembetriebes stattfinden, in der noch keine ausreichenden Umsätze und Gewinne erwirtschaftet werden, oder auch, wenn die änderungsbedingten Nachinvestitionen zu einem Zeitpunkt verlangt werden, in welchem sie sich nicht mehr amortisieren werden. Zudem müsse der Franchisenehmer schon bei Abschluss des Franchisevertrages Kenntnis darüber haben, in welchem Umfang in welchem Bereich Änderungen möglich sind und welche Auswirkungen dies haben kann.

Da sich in den auf teils sehr lange Dauer angelegten Franchiseverträgen künftige Kosten für die Umsetzung von systemrelevanten Änderungen nicht für jede einzelne Änderung treffsicher voraussagen lassen dürften, erscheint eine maximale Begrenzung durchaus als probates Mittel, um für den Franchisenehmer die erforderliche Transparenz – und auch Planungssicherheit – herzustellen.

Rechtsfolge unwirksamer Klauseln

Sollte im Einzelfall eine Änderungsvorbehaltsklausel als unwirksam festgestellt werden, würde dies gleichwohl eher selten zur Unwirksamkeit des Franchisevertrages als Ganzes führen; dies ist nur in Ausnahmefällen der Fall. Überwiegend enthalten Franchiseverträge zudem eine sog. Salvatorische Klausel, nach der der Vertrag im Übrigen von der Unwirksamkeit einzelner Bestimmungen darin unberührt bleibt.

Fazit

Für Franchisegeber ergibt sich aus den vorstehenden Ausführungen bei der Vertragsgestaltung folgende Handlungsempfehlung:

  • Trotz der nach wie vor nicht eindeutigen Rechtslage empfiehlt sich in jedem Falle eine auf die Veränderung und Weiterentwicklung des Konzeptes und deren Umsetzung zielende Regelung im Franchisevertrag.
  • Diese sollte so konkret wie möglich formuliert sein.
  • Insbesondere sollten Voraussetzungen, Umfang und Folgen der Änderungen sowie möglichst auch ein maximaler Nachinvestitionsbetrag bezeichnet sein.

Zwar lassen sich Auseinandersetzungen der Partner dadurch im Vorfeld nicht völlig ausschließen, gerade weil, wie dargestellt, Einzelheiten im Hinblick auf die rechtliche Wirksamkeit entsprechender Klauseln weitgehend noch ungeklärt sind. Gleichwohl entspricht es dem partnerschaftlichen Wesen des Franchising, mit dem Franchisenehmer von Beginn an offen mit dem Thema Innovation umzugehen und ein gemeinsames Verständnis darüber zu erzielen, dass das System auch auf die Entwicklung neuer Ideen durch die Zentrale einerseits und deren flächendeckende Umsetzung durch die Franchisenehmer andererseits angewiesen ist.

igenda Fachmagazin

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