Franchise-Expansion bei bereits existierenden Verträgen: Prof. Dr. Flohr beschreibt die Problematik

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Die Expansion über vorhandene Franchise-Nehmer kann für beide Seiten Vorteile bieten, sie muss aber auch für beide Seiten auf rechtlich sicheren Füßen stehen.

Soweit es um den Abschluss des „ersten“ Franchise-Vertrages geht, sind die Spielregeln zwischen Franchise-Geber und Franchise-Nehmer bekannt: zum einen muss der Franchise-Nehmer dem Anforderungsprofil des jeweiligen Franchise-Systems entsprechen und zum anderen muss dieser im Rahmen einer umfassenden vorvertraglichen Aufklärung über die Risiken unterrichtet werden, die mit dem Abschluss des Franchise-Vertrages des jeweiligen Franchise-Systems verbunden sind. Im Rahmen dieser Vertragsverhandlungen wird dann auch der abzuschließende Franchise-Vertrag ausführlich erörtert, danach unterzeichnet und dient dann für die Vertragsdauer als Grundlage für die rechtliche Zusammenarbeit zwischen Franchise-Geber und Franchise-Nehmer.

Gänzlich anders stellen sich die Spielregeln dar, wenn es darum geht, mit einem solchen Franchise-Nehmer einen weiteren Franchise-Vertrag abzuschließen, um so diesem die Möglichkeit zu eröffnen, neben dem bestehenden Franchise-Outlet ein weiteres Franchise-Outlet zu betreiben. Noch anders stellen sich die Spielregeln dar, wenn ein solcher Franchise-Nehmer entweder ein bereits bestehendes Franchise-Outlet eines anderen Franchise-Nehmers oder eine Filiale des Franchise-Gebers als Franchise-Outlet übernimmt. Die dabei zu beachtenden rechtlichen Fragen unterscheiden sich grundsätzlich von den rechtlichen Fragen, die im Rahmen der vorvertraglichen Aufklärung und dem Abschluss des „ersten“ Franchise-Vertrages zu beachten sind.

Expansion durch Neugründung
Voraussetzung: Erfolgreiches Franchising

Grundvoraussetzung für die Vergabe weiterer Franchise-Rechte ist, dass der Franchise-Nehmer den bestehenden Franchise-Vertrag nicht nur erfüllt, sondern das Franchise-Outlet auch entsprechend der vor Abschluss des ersten Franchise-Vertrages aufgestellten Rentabilitätsanalyse erfolgreich führt. Diese Voraussetzungen für die Vergabe weiterer Franchise-Rechte werden teilweise bereits in dem „ersten“ abgeschlossenen Franchise-Vertrag normiert.

Expansionsvereinbarung

Definierte Regeln müssen aber nicht zwingend Bestandteil des abgeschlossenen „ersten“ Franchise-Vertrages sein.

Es gibt auch Franchise-Systeme, bei denen neben dem Franchise-Vertrag mit dem Franchise-Nehmer eine sog. Expansionsvereinbarung abgeschlossen wird. In dieser Expansions­vereinbarung wird dann im Einzelnen geregelt, unter welchen Voraussetzungen weitere Franchise-Rechte für ein zweites oder drittes oder weiteres Franchise-Outlet vergeben werden. Eine solche Expansionsvereinbarung ist weitergehend als eine entsprechende Regelung zur Vergabe weiterer Franchise-Rechte, die im „ersten“ Franchise-Vertrag enthalten ist.

Die Expansionsvereinbarung umfasst in der Regel die Vertragsgebiete, die an den Franchise-Nehmer noch vergeben werden können bzw. welche Standorte als mögliche weitere Franchise-Standorte für den Franchise-Nehmer in Betracht kommen, innerhalb welchen Zeitraumes die einzelnen weiteren Franchise-Outlets zu eröffnen und welche Mindestumsätze in diesen weiteren Franchise-Outlets zu erzielen sind. Insofern umfasst eine solche Expansionsvereinbarung auch einen umfassenden Business-Plan, um so auch die wirtschaftlichen Grundlagen zu erfassen, auf deren Basis der Franchise-Nehmer weitere Franchise-Outlets betreiben kann.

Vereinbarung der Expansion im „ersten“ Franchise-Vertrag

Ob eine solche Expansionsvereinbarung bereits zum Zeitpunkt des Abschlusses des ersten Franchise-Vertrages abgeschlossen wird oder zu einem späteren Zeitpunkt, hängt von der jeweiligen Beurteilung des Franchise-Nehmers ab.

Ergibt sich bereits im Rahmen der Vertragsverhandlungen, dass der Franchise-Nehmer sowohl über die wirtschaftlichen als auch tatsächlichen Möglichkeiten und den entsprechenden beruflichen Background verfügt, um weitere Franchise-Outlets zu eröffnen, so kann eine solche Expansionsvereinbarung bereits im Rahmen der Vertragsverhandlungen und mit Abschluss des „ersten“ Franchise-Vertrages mit verhandelt und gleichzeitig mit Unterzeichnung dieses Franchise-Vertrages mit unterzeichnet werden.

Es kann aber auch festgelegt werden, dass solche Vertragsverhandlungen im Hinblick auf eine solche Expansionsvereinbarung erst zwei Jahre nach Abschluss des ersten Franchise-Vertrages geführt werden, wenn für die Vertragsparteien auch feststeht, dass der Franchise-Nehmer sein Franchise-Outlet so erfolgreich führt, wie dies im Rahmen der Vertragsverhandlungen erörtert und im Rahmen einer Rentabilitätsanalyse und einem Business-Plan für dieses Franchise-Outlet festgelegt worden ist.

Wird also an eine solche Expansionsvereinbarung gedacht, dann sollten im Rahmen des „ersten“ Franchise-Vertrages auch Mindestumsätze vereinbart werden, anhand deren gemessen werden kann, dass das Franchise-Outlet so erfolgreich geführt wird, wie dies im Rahmen der Vertragsverhandlungen vereinbart worden ist. Werden nämlich diese Mindestumsätze nicht erzielt, weil der Franchise-Nehmer seiner sog. Bemühenspflicht nicht nachgekommen ist, d.h. sich nicht in geeigneter Weise um die Einhaltung der Vorgaben des Business-Plans und die Erzielung der Mindestumsätze gekümmert hat, so wird erkennbar, dass ein solcher Franchise-Nehmer auch nicht in der Lage ist, ein zweites, drittes oder weiteres Franchise-Outlet zu betreiben. Insofern erübrigen sich dann die Verhandlungen um den Abschluss einer Expansionsvereinbarung.

Voraussetzung: Bemühenspflicht

Daher spielt die Erfüllung der sog. Bemühenspflicht eine grundsätzliche Bedeutung in der Frage, ob an einen Franchise-Nehmer weitere Franchise-Rechte zu vergeben sind.

Wird nämlich festgestellt, dass der Franchise-Nehmer dieser sog. Bemühenspflicht nicht entspricht, so kommt der Abschluss eines weiteren Franchise-Vertrages nicht in Betracht; im Gegenteil: nach der Entscheidung des BGH vom 13. Juli 2004 (WRP 2004, 1378) wäre es dann sogar möglich, den abgeschlossenen „ersten“ Franchise-Vertrag fristlos aus wichtigem Grund zu kündigen, vorausgesetzt der Franchise-Nehmer ist vorher bereits auf diesen Missstand, d.h. die Nichteinhaltung der Bemühenspflicht durch eine Abmahnung hingewiesen worden verbunden mit dem weiteren Hinweis, dass bei weiteren Verstößen gegen die Bemühenspflicht die fristlose Kündigung des Franchise-Vertrages erklärt werden kann. Dies ist die Konsequenz der BGH-Entscheidung vom 12. Oktober 2011 (ZVertriebsR 2012, 109).

Die Bemühenspflicht und deren Erfüllung erweist sich damit in zweifacher Hinsicht von Bedeutung: zum einen ist diese für die Erfüllung des ersten Franchise-Vertrages von Bedeutung und kann ggf. dem Franchise-Geber bei Nichtbeachtung das Recht zur fristlosen Kündigung dieses ersten Franchise-Vertrages einräumen; zum anderen kommt der Abschluss einer Expansionsvereinbarung oder die Vergabe weiterer Franchise-Rechte für weitere Franchise-Outlets nur dann in Betracht, wenn positiv festgestellt wird, dass der Franchise-Nehmer für das bestehende Franchise-Outlet seiner Bemühenspflicht nachkommt.

Aufklärungspflicht auch bei Folgeverträgen

Auch wenn der Franchise-Nehmer, der einen Franchise-Vertrag für ein weiteres Franchise-Outlet abschließt, das Franchise-System bereits aus allen Einzelheiten kennt und demgemäß auch um die Chancen und Risiken weiß, die mit dem Betreiben eines Franchise-Outlets verbunden sind, bedeutet dies nicht, dass keine vorvertragliche Aufklärung vor Abschluss dieses weiteren Franchise-Vertrages zu erfolgen hat.

Allerdings ist diese vorvertragliche Aufklärung nur noch eine eingeschränkte, da der Franchise-Nehmer um das notwendige Wissen aber auch die Erfahrung innerhalb des Franchise-Systems verfügt, um beurteilen zu können, ob zum einen der neue Standort für ein weiteres Franchise-Outlet geeignet ist, ob zum anderen die Rentabilitätsanalyse zutreffend ist und demgemäß der Franchise-Vertrag von ihm für dieses weitere Franchise-Outlet abgeschlossen werden kann.

Insofern steht im Mittelpunkt dieser vorvertraglichen Aufklärung für einen weiteren Franchise-Vertrag nur noch die Standortanalyse bzw. Rentabilitätsanalyse für dieses weitere Franchise-Outlet bzw. dessen Standort. Die Verpflichtung zur Erstellung dieser Rentabilitäts- bzw. Standortanalyse liegt jedoch ausschließlich beim Franchise-Nehmer. Dieser kann nunmehr genau wie der Franchise-Geber aufgrund seiner Erfahrungen innerhalb des Franchise-Systems durch das Betreibens eines Franchise-Outlets beurteilen, ob der Standort geeignet ist. Insofern ist von einer Informationssymmetrie auszugehen und nicht einer zu Lasten des Franchise-Nehmers bestehenden Informationsasymmetrie, wenn es um den Abschluss des ersten Franchise-Vertrages und damit Kenntnisse um das Franchise-System insgesamt überhaupt geht.

Der Vertragsabschluss

Für jedes weitere Franchise-Outlet sollte jedoch ein gesonderter Franchise-Vertrag abgeschlossen werden. Es ist nicht empfehlenswert, wie es immer wieder festzustellen ist, die weiteren Franchise-Rechte auf der Grundlage des abgeschlossenen „ersten“ Franchise-Vertrages zu vergeben. Ergänzt wird dann lediglich der Franchise-Vertrag um eine Regelung, die normalerweise folgenden Wortlaut hat: „Dem Franchise-Nehmer werden die Franchise-Rechte für ein weiteres Franchise-Outlet in Musterstadt vergeben, und zwar auf der Grundlage des bereits bestehenden Franchise-Vertrages.“.

Diese Regelung bringt mehr Nachteile als Vorteile mit sich: zum einen sind die Rechte und Pflichten, die sich auf das neue Franchise-Outlet beziehen, nicht eindeutig umschrieben; zum anderen werden dann diese Franchise-Rechte für ein weiteres Franchise-Outlet nur für die Dauer der Restlaufzeit des abgeschlossenen Franchise-Vertrages vergeben. Ist der Franchise-Nehmer mit diesem weiteren Franchise-Outlet nicht erfolgreich, und zwar aus Gründen, die dieser zu vertreten hat (Nichterfüllen der Bemühenspflicht), so wird eine fristlose Kündigung dieses abgeschlossenen Franchise-Vertrages schwierig. Diese fristlose Kündigung würde nämlich dann nicht nur das neue Franchise-Outlet, sondern auch das bestehende Franchise-Outlet umfassen. Würde nur eine Kündigung im Hinblick auf das neue Franchise-Outlet erklärt, so läge möglicherweise eine unzulässige Teilkündigung vor.

Insofern muss für jedes Franchise-Outlet auch ein neuer Franchise-Vertrag abgeschlossen werden. Dies gilt insbesondere dann, wenn sich die wirtschaftlichen Grundlagen des Franchise-Systems geändert haben und möglicherweise für das neue Franchise-Outlet entweder eine höhere Eintrittsgebühr oder höhere laufende Franchise-Gebühren oder zusätzliche Marketinggebühren zu leisten sind.

Insoweit empfiehlt es sich in den Franchise-Vertrag, falls dort die Expansion des Franchise-Nehmers geregelt ist, auch folgende Ergänzung aufzunehmen: „Für das neue vom Franchise-Nehmer zu betreibende weitere Franchise-Outlet, wird ein gesonderter Franchise-Vertrag auf der Grundlage des dann gültigen Franchise-Vertragsmusters des Franchise-Gebers abgeschlossen.“

Durch diese Formulierung ist sichergestellt, dass für das neue Franchise-Outlet das zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses gültige Franchise-Vertragsmuster des Franchise-Gebers zur Anwendung kommt und der Franchise-Nehmer sich nicht darauf berufen kann, auch für dieses Franchise-Outlet einen Franchise-Vertrag zu unterzeichnen, der dem bisherigen ihm bekannten Franchise-Vertragsmuster entspricht.

Expansion durch Übernahme

Weitere Rechtsfragen kommen hinzu, wenn der Franchise-Nehmer entweder ein bestehendes Franchise-Outlet eines anderen Franchise-Nehmers übernimmt oder aber eine Eigenfiliale des Franchise-Gebers als Franchise-Outlet fortführt.

Verträge bei Betriebsübernahme

Zunächst ist zu beachten, dass in dieser Über­nahme eines bestehenden Franchise-Outlets oder einer Eigenfiliale des Franchise-Gebers als weiteres Franchise-Outlet eine Betriebsübernahme i.S.v. § 613a V BGB liegt. Insofern ist der Franchise-Nehmer verpflichtet, in alle bestehenden Arbeitsverträge einzutreten, wobei Änderungen der Arbeitsverträge erst nach Ablauf von einem Jahr nach Betriebsübernahme möglich sind, ausgenommen die Fälle, in denen Mitarbeitern fristlos aus wichtigem Grund gekündigt werden kann. Insoweit sind Franchise-Geber und Franchise-Nehmer auch verpflichtet, die Informationspflichten zu beachten, die § 613a V BGB an eine solche Betriebsübernahme stellt. Es empfiehlt sich mit den Einzelheiten der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu befassen, damit ein solches Rundschreiben an alle Mitarbeiter auch den Anforderungen entspricht, die gesetzlich normiert sind.

Aufklärungspflicht

Auch die vorvertragliche Aufklärung stellt sich dann gänzlich anders dar: sowohl von der Eigenfiliale als auch von dem zu übernehmenden Franchise-Outlet liegen wirtschaftliche Unter­lagen in Form von Bilanzen, Gewinn- und Verlustrechnen sowie betriebswirtschaftlichen Auswertungen vor. Diese Unterlagen sind dem Franchise-Nehmer zur Überprüfung zur Ver­fügung zu stellen. Die vorvertragliche Aufklärung kommt daher in solchen Fällen eher einer „Due-Dilligence“ gleich, also einer Prüfung der wirtschaftlichen Grundlagen eines Unternehmens im Falle eines Unternehmenskaufs. Diese Parallele wird zu Recht gezogen, da die Übernahme eines bestehenden Franchise-Outlets oder aber eine Eigenfiliale des Franchise-Gebers als Franchise-Outlet mit einem Unternehmenskauf zu vergleichen ist.

Auf eine Rentabilitäts- bzw. Standortanalyse kann in der Regel verzichtet werden, da sich aus den dem Franchise-Nehmer vorzulegenden Unter­lagen ergibt, ob das Franchise-Outlet in der Zukunft auch erfolgreich weiterbetrieben werden kann. Die vorvertragliche Aufklärung eines solchen Franchise-Nehmers, der ein bestehendes Franchise-Outlet oder eine Eigenfiliale des Franchise-Gebers als Franchise-Outlet übernimmt, ist daher eine mehr als eingeschränkte – auch vor dem Hintergrund, dass dieser Franchise-Nehmer aufgrund der bereits von ihm betriebenen Franchise-Outlets über umfassende Kenntnisse und Erfahrungen des Franchise-Systems verfügt. Auch in solchen Fällen ist daher von einer bestehenden Informationssymmetrie auszugehen, die die vorvertragliche Aufklärungspflicht des Franchise-Gebers erheblich einschränkt.

Franchise-Vertrag

Gleichzeitig muss dann jeweils ein gesonderter Franchise-Vertrag abgeschlossen werden. Insofern ergibt sich keine Änderung in der vertraglichen Situation gegenüber dem Abschluss eines neuen Franchise-Vertrages für ein neu zu eröffnendes Franchise-Outlet.

Insgesamt ergibt sich, dass die Spielregeln bei Betreiben eines weiteren Franchise-Outlets andere sind, als beim Abschluss des ersten Franchise-Vertrages. Zum einen verfügt der Franchise-Nehmer über ihm aus dem Franchise-­System bekannte Informationen und kann demgemäß einen weiteren Standort zum Betreiben eines Franchise-Outlets besser beurteilen, als beim Abschluss des ersten Franchise-Vertrages.

Wird ein bestehendes Franchise-Outlet oder eine Eigenfiliale des Franchise-Gebers übernommen, so liegen wirtschaftliche Unterlagen vor, die den Franchise-Nehmer in die Lage versetzen, durch Dritte die Rentabilität des jeweils zu übernehmenden Franchise-Outlets überprüfen zu lassen. Insofern ist auch hier nur eine eingeschränkte vorvertragliche Aufklärung – wenn überhaupt – geboten.

Empfehlung

Es bleibt festzuhalten: Für jedes weitere Franchise-Outlet muss ein gesonderter Franchise-Vertrag abgeschlossen werden. Nur dann hält sich der Franchise-Geber auch die Möglichkeit offen, jeden Franchise-Vertrag einzeln, soweit die Voraussetzungen vorliegen sollten, fristlos aus wichtigem Grund gem. § 314 I BGB zu kündigen.

Die vertraglichen Grundlagen für die Eröffnung eines zweiten oder weiterer Franchise-Outlets sollten bereits im Rahmen der Vertragsverhandlungen um den Abschluss des ersten Franchise-Vertrages festgelegt werden, sei es durch eine entsprechende Regelung in diesem Franchise-Vertrag oder den Abschluss einer gesonderten Expansionsvereinbarung.