Das Verhältnis zwischen Franchise-Geber und Franchise-Nehmer: Eine Vertrauensbeziehung?

igenda FACHMAGAZIN
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Vertrauen ist die Grundlage jeglicher vertraglichen Zusammenarbeit – und dies nicht nur im Verhältnis vom Franchise-Geber und Franchise-Nehmer, sondern im Rahmen eines jeden Vertragsverhältnisses. Nicht umsonst betonte LENIN immer wieder in jeder seiner Reden „Vertraue, aber prüfe nach“; ein Grundsatz, der leider manchmal bei Franchise-Vertragsverhältnissen in Vergessenheit gerät.

Franchise-Verträge als Dauerschuldverhältnisse

Bei Franchise-Verträgen ist dieses Vertrauensverhältnis jedoch viel intensiver als bei Verträgen, die auf einen einmaligen Leistungsaustausch ausgerichtet sind, wie etwa ein Kaufvertrag. Franchise-Verträge werden über eine längere Laufzeit abgeschlossen – mitunter mit Laufzeiten von 5-10 Jahren. Insofern ist ein Franchise-Vertrag auch ein sogenanntes Dauerschuld­verhältnis, weil über die Dauer der jeweiligen Vertragslaufzeit Leistungen zwischen Franchise-Geber und Franchise-Nehmer ausgetauscht werden.

Dieses Dauerschuldverhältnis bedeutet aber nicht nur, dass die vertraglichen Beziehungen auf einen dauernden Leistungsaustausch zwischen Franchise-Geber und Franchise-Nehmer ausgerichtet sind; das Dauerschuldverhältnis führt auch dazu, dass für die Dauer der Zusammenarbeit eine Vertrauensbeziehung zwischen Franchise-Geber und Franchise-Nehmer bestehen muss. Diese Vertrauensbeziehung leitet sich aus den wechselseitigen Fürsorgepflichten und damit aus den Grundsätzen von Treu und Glauben ab.

Rücksichtnahme gründet sich auf Vertrauen

Diese gesteigerten Fürsorgepflichten bedeuten, dass Franchise-Geber und Franchise-Nehmer wechselseitig auf die Interessen des jeweiligen anderen Vertragspartners Rücksicht zu nehmen haben. Diese Rücksichtnahme gründet sich auf dem Vertrauen, das der Franchise-Nehmer z.B. Maßnahmen des Franchise-Gebers gegenüber erbringt, wie etwa der Ausarbeitung von Marketing- und Werbeplänen, der Weiterentwicklung des Know-hows oder aber auch der Produkte des Franchise-Systems. Umgekehrt sind auch die Leistungen, die von einem Franchise-Nehmer im Rahmen des Franchise-Vertrages sowohl für sein Franchise-Outlet als auch für das Franchise-System insgesamt zu erbringen sind, vom Gebot dieser Rücksichtnahme gekennzeichnet. Nur vor dem Hintergrund einer solchen vertrauensvollen Zusammenarbeit kann ein Franchise-Outlet erfolgreich geführt und ein Franchise-System etabliert werden.

Gestörtes Vertrauensverhältnis

Wird dieses Vertrauensverhältnis gestört, so bedeutet dies, dass die Voraussetzungen für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Franchise-Geber und Franchise-Nehmer entfallen; entweder bereits im Vorfeld der vertraglichen Beziehungen wegen Verletzung vorvertraglicher Aufklärungspflichten oder aber im Rahmen der vertraglichen Zusammenarbeit wegen Verletzung der wechselseitig aufgrund des abgeschlossenen Franchise-Vertrages übernommenen Verpflichtungen. Schutzgegenstand ist dabei das „Integritätsinteresse“ des anderen Teils.

Vertrauen zwischen Franchise-Geber und Franchise-Nehmer

Soweit es um das Vertrauen zwischen Franchise-Geber und Franchise-Nehmer geht, ist zwischen der „vorvertraglichen Vertrauensbeziehung“ und der „vertraglichen Vertrauensbeziehung“ zu differenzieren.

Vorvertragliche Vertrauensbeziehung

Durch § 241 II BGB werden die Rücksichtspflichten, die die Vertragsparteien wechselseitig treffen, nicht festgelegt. Vielmehr hängen diese Rücksichtspflichten und damit auch die vorvertraglichen Aufklärungspflichten vom Vertragszweck, der Verkehrssitte und den Anforderungen des redlichen Geschäftsverkehrs ab.

Solche Fürsorgepflichten entstehen bereits mit der Vertragsanbahnung und sind Grundlage für eine Haftung wegen Verletzung vorvertraglicher Aufklärungspflichten nach den Grundsätzen der culpa in contrahendo (§ 311 II, III BGB). Insoweit wird auch teilweise von einer „vorvertraglichen Informationshaftung“ (So Grigoleit, Vorvertragliche Informationshaftung, München 1997; sieh auch Rehm, Aufklärungspflichten im Vertragsrecht, München 2003) gesprochen.

Zugleich bedingen die aus § 241 II BGB abzuleitenden Rücksichtspflichten, dass im Rahmen der Vertragsverhandlungen bei Abschluss eines Franchise-Vertrages die Informationsasymmetrie beseitigt wird, die grundsätzlich zwischen dem Franchise-Geber und dem Franchise-Nehmer besteht. Diese Informationsasymmetrie ist insbesondere beim Abschluss von Franchise-Verträgen festzustellen, da der Franchise-Geber alles über das Franchise-System und damit auch über die Risiken weiß, die mit dem Abschluss eines Franchise-Vertrages verbunden sind, während der Franchise-Nehmer weder über diese Informationen verfügt noch sich diese Informationen verschaffen kann, also insofern darauf angewiesen ist, dass die ihm vermittelten Informationen richtig und vollständig sind.

Insofern entsteht im Rahmen der Vertragsverhandlungen zwischen Franchise-Geber und Franchise-Nehmer eine vorvertragliche Vertrauensbeziehung, so dass sich die Erfüllung der vorvertraglichen Informationspflichten auch als Erfüllung des wechselseitigen Vertrauens darstellt, das Franchise-Geber und Franchise-Nehmer während der Vertragsverhandlungen für sich in Anspruch nehmen.

Diese vorvertragliche Aufklärung ist in Deutschland nicht gesetzlich geregelt, sondern wird von der Rechtsprechung bestimmt, insbesondere von den Entscheidungen des OLG München (vgl. Urteil vom 16.09.1993 NJW 1994, 667; Urteil vom 17.11.1996 NJW-RR 1997, 812; Urteil vom 24.04.2001, NUJW 2001, 1759; Urteil vom 01.08.2002 BB 2003, 443; Urteil vom 27.7.2006 BB 2007, 14 mit Anm. Flohr BB 2007, 6 ff.).

Das zwischen Franchise-Geber und Franchise-Nehmer im Rahmen der Vertragsverhandlungen entstehende Vertrauensverhältnis verpflichtet den Franchise-Geber in besonderem Maße, dem Franchise-Nehmer die für die spätere Zusammenarbeit erheblichen Informationen wahr­heitsgemäß offen zu legen.

Hierzu zählen etwa Angaben über:

  • Ergebnisse und Erfahrungen bestehender Franchise-Betriebe
  • Leistungen der Systemzentrale
  • Investitionssummen (Mindestkapital, Verhältnis zum Fremdkapital)
  • Notwendiger Arbeitseinsatz des Franchise-Nehmers
  • Durchschnittlicher Jahresumsatz der Franchise-Nehmer oder Pilotbetriebe
  • Angaben zum Franchise-Geber-Betrieb (Beginn, wirtschaftliche Entwicklung etc.)

Durch diese Informationen soll der Franchise-Nehmer in den Stand versetzt werden, die mit dem Abschluss des Franchise-Vertrages verbundenen unternehmerischen Risiken einschätzen zu können (umfassend zur vorvertraglichen Aufklärung beim Abschluss von Franchise-Verträgen: Flohr, Franchise-Vertrag, a.a.O., S. 34 ff. m.w.N.).

Mit seinem Urteil vom 16. September 1993 (NJW 1994, 667) hat das OLG München zum zweiten Mal den Umfang der vorvertraglichen Aufklärungspflichten eines Franchise-Gebers festgelegt, nachdem es sich bereits erstmals zu der Problematik mir Urteil vom 13. November 1987 (BB 1988, 865 mit Anm. Skaupy) geäußert hatte. Das OLG München hat seiner Entscheidung zwei Leitsätze vorangestellt, die zugleich die besondere Bedeutung von vorvertraglichen Aufklärungspflichten des Franchise-Gebers unterstreichen, und zwar:

Der Franchise-Geber muss den Franchise-Nehmer richtig und vollständig über die Rentabilität des Systems unterrichten.
Der Franchise-Geber, der wegen der vorvertraglichen Aufklärungspflicht schadensersatzpflichtig ist, kann dem Franchise-Nehmer nicht als Mitverschulden entgegenhalten, dass er leichtfertig den Anpreisungen des Franchise-Gebers vertraut hat.

Mit diesem Urteil wird ebenfalls unterstrichen, dass die vorvertragliche Aufklärung von einer Vertrauensbeziehung zwischen Franchise-Geber und Franchise-Nehmer geprägt ist. Nur wenn der Franchise-Nehmer den Angaben des Franchise-Gebers zur Darstellung der Rentabilität des Franchise-Systems Vertrauen schenken kann, ist er auch in der Lage, eine Entscheidung darüber zu treffen, ob er den Franchise-Vertrag abschließt. Insofern wird durch den ersten Leit-satz der Entscheidung des OLG München vom 16. September 1993 auch deutlich, dass der Franchise-Geber den Franchise-Nehmer in diesem Vertrauen nicht im Rahmen der vorvertraglichen Aufklärung enttäuschen darf, in dem er sein System erfolgreicher darstellt, als es tatsächlich ist.

Haftung für gestörtes Vertrauen

Wird also ein Franchise-Nehmer nicht richtig und vollständig über die Rentabilität des Fran-chise-Systems aufgeklärt, so wird die zwischen Franchise-Geber und Franchise-Nehmer auf-grund der Vertragsverhandlung entstehende Vertrauensbeziehung gestört. Die Haftung für die Verletzung vorvertraglicher Aufklärungspflichten stellt sich somit als eine „Haftung für gestörtes Vertrauen“ dar.

Dies belegt zugleich, welch große Bedeutung dem wechselseitigen Vertrauen im Rahmen der Vertragsverhandlungen bei Abschluss eines Franchise-Vertrages zukommt.

Vertraglicher Vertrauensbereich

In entsprechender Weise ist auch das Vertrauen zwischen Franchise-Geber und Franchise-Nehmer für die Erfüllung der vertraglichen Verpflichtungen aufgrund des zwischen beiden abgeschlossenen Franchise-Vertrages von grundsätzlicher Bedeutung. Ohne dieses wechselseitige Vertrauen ist eine erfolgreiche Partnerschaft von Franchise-Geber und Franchise-Nehmer nicht möglich.

Dies betrifft zum einen die Zusammenarbeit zwischen Franchise-Geber und Franchise-Nehmer, zum anderen aber auch die Erfüllung der im Rahmen des Franchise-Vertrages zwischen Franchise-Geber und Franchise-Nehmer etwa vereinbarten Umsatzvorgaben oder Mindestabsatzpflichten des Franchise-Nehmers. Diese kann der Franchise-Nehmer nur erfüllen, wenn er seiner sog. Bemühenspflicht nachkommt, d.h. sich nachhaltig darum kümmert, dass die vertraglich vereinbarten Umsatzvorgaben erfüllt werden. Wird diese Bemühenspflicht nicht erfüllt, so besteht die Möglichkeit einer fristlosen Kündigung des abgeschlossenen Franchise-Vertrages, falls der Franchise-Nehmer das Nichterreichen der Vorgaben des Business Plans oder aber der Umsatzziele gem. § 276 I BGB zu vertreten hat. Dies ist die Konsequenz der BGH-Entscheidung vom 13. Juli 2004 (WRB 2004, 1378 – Citroen Vertragshändler).

Auch das dem Franchise-Geber insoweit wegen Nichterreichen der Umsatzvorgaben durch den Franchise-Nehmer eingeräumte Recht zur fristlosen Kündigung des abgeschlossenen Franchise-Vertrages stellt sich als ein Grund dar, der auf einer gestörten Vertrauensbeziehung beruht. Kommt der Franchise-Nehmer nämlich nicht seiner Bemühenspflicht nach und hat dieser das Nichteinhalten der vertraglich vereinbarten Vorgaben gem. § 276 I BGB zu vertreten, so zeigt dies, dass er nicht dem Vertrauen entsprochen hat, das der Franchise-Geber in ihn bei Abschluss des Franchise-Vertrages gesetzt hat.

Vertrauen im Datenschutz: Kundendaten

Wechselseitiges Vertrauen betrifft aber auch die Beachtung des Datenschutzes durch den Franchise-Geber. Nur wenn sichergestellt ist, dass die Daten des Franchise-Nehmers oder dessen Kundendaten vertrauensvoll vom Franchise-Geber verwaltet werden, wird der Franchise-Nehmer auch bereit sein, fortlaufend seine Kundendaten dem Franchise-Geber z.B. für Marketing- oder Werbezwecke zur Verfügung zu stellen. Muss der Franchise-Nehmer hingegen feststellen, dass diese Kundendaten vom Franchise-Geber anderweitig vermarktet und damit nicht für Zwecke des Franchise-Systems verwendet werden, so führt dies ebenfalls zu einer Störung der Vertrauensbeziehungen zwischen Franchise-Geber und Franchise-Nehmer. Ist dann dieser Verstoß des Franchise-Gebers schwerwiegend, so kann möglicherweise daraus ein Grund zu einer fristlosen Kündigung des abgeschlossenen Franchise-Vertrages durch den Franchise-Nehmer gem. § 314 I BGB abgeleitet werden.

Zahlreiche Franchise-Verträge enthalten auch Einsichtsrechte bzw. Kontrollrechte des Fran-chise-Gebers. Die Durchführung dieser Einsichts- und Kontrollrechte setzt aber auch voraus, dass eine vertrauensvolle Beziehung zwischen Franchise-Geber und Franchise-Nehmer besteht; also insoweit der Franchise-Nehmer darum weiß, dass die Einsichts- und Kontrollrechte nur deswegen vom Franchise-Geber ausgeübt werden, damit z.B. Betriebsvergleiche für das Franchise-System erstellt werden können, die dann der Betriebsführung sämtlicher Franchise-Outlets dienen.

Fristlose Kündigung bei gestörter Vertrauensbeziehung

Ein gestörtes Vertrauen kennzeichnet aber auch einen eine fristlose Kündigung eines Franchise-Vertrages berechtigenden wichtigen Grund i.S.v. § 314 I BGB. Ein solcher Grund zur fristlosen Kündigung ist nämlich nur dann gegeben, wenn die Vertrauensbeziehung zwischen Franchise-Geber und Franchise-Nehmer so nachhaltig gestört ist, dass eine Fortsetzung des Franchise-Vertrages bis zum Ende der vertraglich vereinbarten Festlaufzeit oder den Zeitpunkt einer ordentlichen Kündigung nicht in Betracht kommt. Entscheidend für eine fristlose Kündigung eines Franchise-Vertrages gem. § 314 I BGB ist also eine nachhaltige Störung des Vertrauensverhältnisses zwischen Franchise-Geber und Franchise-Nehmer.

Ob ein solcher durch einen Vertrauensbruch gekennzeichneter wichtiger Grund vorliegt, bedarf nach der Rechtsprechung des Bundes­gerichtshofes einer Gesamtabwägung der besonderen Umstände des einzelnen Falles unter Abwägung der beiderseitigen Interessen (BGH NJW-RR 2003, 1635 – Apollo Optik). Teilweise werden im Franchise-Vertrag bestimmte „wichtige Gründe“ enumerativ – und damit nicht abschließend – aufgeführt, die charakterisieren, wie schwerwiegend die Vertrauens- und damit Vertragsverletzungen sein müssen, um eine fristlose außerordentliche Kündigung des Franchise-Vertrages erklären zu können.

Widerspricht es der Vertrauensbeziehung zwischen Franchise-Geber und Franchise-Nehmer und der insoweit gebotenen Rücksichtnahme auf die Interessen des jeweiligen anderen Part-ners, einen langfristig abgeschlossenen Franchise-Vertrag fristlos aus wichtigem Grund zu kündigen, wenn z.B. laufende Franchise-Gebühren nicht innerhalb von 10 Tagen nach Zah-lungsaufforderung geleistet werden. Da jeder Franchise-Nehmer nicht unerhebliche Investiti-onen tätigt, kann in solchen Fällen allenfalls eine fristlose Kündigung aus wichtigem Grund gerechtfertigt sein, wenn der Zahlungsverzug sechs Wochen überschreitet.

Insofern erweist sich das „Vertrauen“ als Gradmesser für die Zusammenarbeit zwischen Fran-chise-Geber und Franchise-Nehmer auf der Grundlage des abgeschlossenen Franchise-Vertrages. Wird dieses Vertrauen gestört, ergeben sich unterschiedliche Handlungsalternativen bis hin zur fristlosen Kündigung des abgeschlossenen Franchise-Vertrages gem. § 314 I BGB.